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From USS Baikonur

Realitäten - Teil 1
Autor: Jon Byrd
Sternzeit: 68.263,9


„Das Ringen der Menschen nach Erkenntnis, das ist ein Prozess, dessen Ziel im Unendlichen liegt. Die Philosophie aber ist der Versuch, dieses Ziel auf Anhieb, durch Kurzschluss zu erreichen, der uns ein vollkommenes und unerschütterliches Wissen verbürgt.“

- Stanislaw Lem

In einem abgelegenen Abschnitt innerhalb der Föderationsgrenzen schwebte die USS Baikonur lautlos durch den Raum. Die ferne Sonne im hellerleuchteten Heck und den dunklen Bug auf die endlose Weite des Alls gerichtet, passierte das Schiff die Umlaufbahn des letzten Planeten eines namenlosen Sonnensystems.

Die vier Gondeln im Heckbereich des Schiffes leuchteten auf und die Baikonur beschleunigte langsam, aber stetig auf Warp Fünf, als ihre Kommunikationsinstrumente eine Subraumnachricht empfingen.


"Admiral Shniklukreis, es freut mich, sie wieder zu sehen", begrüßte Captain Rubliowa den zuständigen Vorgesetzten für die Baikonur. Sie hatte den Ruf des Oberkommandos in ihrem Bereitschaftsraum entgegengenommen und saß in ihrem Sessel, während sie auf den Bildschirm ihres Computerterminals schaute.

Der Admiral nickte ihr freundlich zu und entgegnete: "Die Freude ist ganz meinerseits, Captain Rubliowa. Ich habe einen Auftrag für sie, wie sie sicher bereits vermuten."

Katya Rubliowa nickte still und betrachtete aufmerksam den Admiral, dessen katzenähnliches Aussehen für sie inzwischen nicht mehr so befremdlich war, wie einst.

"Auf Tichy IV, im Ion-System, findet in vier Tagen der elfte interstellare Philosophiekongress statt, den die Föderation mit unterstützt. Zu diesem Kongress wurden auch Philosophen aus sehr weit entfernten und abgelegenen Gegenden der Galaxie geladen. Zehn von ihnen, aus den Tiefen des Beta-Quadranten, sind auf Temikron I zusammen gekommen und die Sternenflotte hat die Aufgabe übernommen, sie zum Tagungsort zu bringen. Für ihre Passage war seit langem die USS Pirx vorgesehen, doch leider fällt sie aufgrund eines Meteoritenschadens aus. Daher kommt es nun der Baikonur zu, diese Gelehrten zum Kongress zu befördern."

Äußerlich nahm Katya diese Instruktionen kühl und gefasst entgegen, aber in ihrem Inneren freute sie sich über diese neue Mission. Denn sie war überzeugt, dass es zu den schönsten und bereicherndsten Aufgaben eines Sternenflottenoffiziers gehörte, den interstellaren Kontakt der intelligenten Wesen zu fördern. Sie war stolz, dass man ihr und ihrer Crew im Oberkommando das Vertrauen für eine solche Mission mit diplomatischem Charakter entgegenbrachte.

"Mit dieser Subraumnachricht werden ihrem Schiffscomputer Informationen über ihre Gäste übermittelt", fuhr der Admiral fort. "Einige dieser Personen benötigen eine gänzlich andere Umgebung als die unsere, daher werden sie die Atmosphäre der entsprechenden Quartiere vorbereiten müssen."

"Diese Aufgabe erfüllt mich und meine Crew mit Stolz, Admiral. Es wird uns eine Freude sein, die Gelehrten an Bord zu haben."

Ein freundliches Lächeln zeigte sich auf Shniklukreis' Gesicht und er entgegnete nickend: "Sie werden sicher Gelegenheit zu interessanten Gesprächen mit den Philosophen haben. Ich wünsche ihnen eine gute Reise, Captain. Admiral Shniklukreis, Ende."

Damit verschwand das Bild des Admirals vom Bildschirm und Katya stand auf, um ihre Crew zu unterrichten und die Vorbereitungen in die Wege zu leiten.


Im Konferenzraum der Baikonur waren alle Führungsoffiziere versammelt und Captain Rubliowa hatte sie über die neue Mission informiert. Die technischen Vorbereitungen für die Ankunft und Einquartierung der Gäste waren bereits besprochen worden und Chefingenieur Ferkon Zatar würde sich darum kümmern.

"Nun, da wir diesen Teil hinreichend geklärt haben, denke ich, können wir uns noch einem anderen Punkt zuwenden. Die Reise nach Tichy IV wird drei Tage dauern, ich denke wir sollten unseren Gästen in dieser Zeit etwas bieten", begann Katya Rubliowa, die die Baikonur und ihre Crew von der besten Seite zeigen wollte.

Commander McNamara, Katyas Erster Offizier, schlug umgehend vor: "Ich denke eine kleine Schiffsführung könnte ein guter Anfang sein."

"Des Weiteren sollten wir diesen Gelehrten auch etwas Kulturelles bieten. Ich denke da zum Beispiel an ein oder zwei Konzerte. So wie ich hörte, probt eine Theatergruppe ein Stück ein, vielleicht lässt sich auch in dieser Hinsicht etwas arrangieren", fügte Counselor Ranoo an.

Katya nickte anerkennend und meinte dann an beide gerichtet: "Bitte bereiten sie zusammen ein kleines Veranstaltungsprogramm für unsere Gäste vor."


"Möbel packen! Ich fass es nicht! Dafür bin ich in die Sternenflotte eingetreten? Ich glaub ich bin im falschen Holoprogramm!", schimpfte Ensign Jebediah Smock vor sich hin und ließ die Kommode absichtlich so auf den Boden des Lagerraums 2 fallen, dass das kleine Möbelstück nur so schepperte.

Ensign Schneider kam mit jeweils einem Stuhl in beiden Händen von der Transporterfläche auf ihn zu und meinte: "Quatsch nicht daher. Die meiste Arbeit kommt doch erst noch, wenn wir die Schleusen mit den Kraftfeldern installieren und diese Tekan-Hexon Atmosphäre im Quartier einrichten müssen."

Am liebsten hätte Jebediah Thomas eine geknallt. Er selbst hatte dieses kleine, schwere Mistding von Kommode getragen und dieser Thomas Schneider hatte sich nur zwei leichte Stühle geschnappt. Der Viertelklingone Jebediah schnaubte wütend vor sich hin und ging zurück zum Transporterfeld und stieß aus Trotz den großen wuchtigen Sessel vom Transporterfeld hinunter. Er deutete auf das quer liegende Möbelstück am Boden und sagte: "Da Thomas, nimm mal!"

Er selbst hob den Wohnzimmertisch hoch und trug ihn zu den anderen Möbeln und grummelte, mehr zu sich selbst, als zu Thomas: "Ich weiß doch wie das abläuft. Wenn wir diese Atmosphäre eingerichtet haben, kommt einer von der Wissenschaftsabteilung, schaut sich das ganze an und mokiert sich, weil die Partikeldichte um 0,1 Prozent abweicht oder irgendein Molekül um 0,001 Prozent zu wenig vorhanden ist und wir dürfen dann von vorne anfangen!"


Im Salyut waren einige Crewmitglieder versammelt, um sich nach dem Ende ihrer Schicht bei einem guten Getränk und angenehmer Gesellschaft von der Arbeit zu erholen. Counselor Ranoo musste zugeben, dass es dem Barkeeper Byrd mit der kreativen und etwas rustikalen Einrichtung gelungen war, eine angenehme, fast heimelige Atmosphäre zu schaffen.

Lemexx Ranoo ging auf die Theke zu, hinter der Barkeeper Byrd stand und einige Flaschen mit exotischen Getränken anordnete. Ranoo setzte sich auf einen Hocker und grüßte den beschäftigten Barkeeper: "Hi Jon, wie läufts?"

"Gut. Die Fruchtsäfte die ich auf dem letzten Planeten besorgt habe, kommen gut an bei den Leuten. Sie sind ganz scharf auf die neuen Frucht-Cocktails", entgegnete der Barkeeper, als er von seiner Arbeit aufschaute. Dann fragte Jon: "Und selbst?"

"Alles in Butter.", antwortete Lemexx und kam dann auf den Grund seines Besuches zu sprechen: "Commander McNamara und ich arbeiten gerade ein Veranstaltungsprotokoll für unsere Gäste aus."

"Ah, für diese Philosophen, die wir demnächst irgendwohin fliegen!", platze der Barkeeper sofort heraus und setzte sich auf einen Barhocker auf seiner Seite der Theke. Lemexx war nicht mehr überrascht darüber, dass Jon oft über die Missionen der Baikonur Bescheid wusste. Die Arbeit als Barkeeper brachte es wohl mit sich, dass er so einiges erfuhr.

"Ja, genau Jon. Ich dachte da auch an zwei Konzerte. Das klassische Orchester hat sich schon bereit erklärt. Da du die Bands hier an Bord gut kennst, wollte ich dich bitten sie zu fragen, ob eine der Bands ein Konzert für die Gäste geben will."

Jon kratzte sich am Kopf, runzelte die Stirn und meinte dann: "Tja, dieser vulkanische Meditationschor hat sich nach dem letzten gefloppten Konzert, als die Hälfte der Zuhörer eingepennt war, geweigert noch einmal aufzutreten. Die Blues Band hat sich wieder aufgelöst, das kaldanische Quintett ist zerstritten und diese andorianische Rockband ist vielleicht nicht ganz das Richtige... Wie wäre es mit den Jazz Junkies? Sie haben ihren Stil geändert, aber Jazz könnte doch das richtige für diese Philosophen sein, oder?"

Begeistert von Jons Vorschlag, entgegnete Lemexx: "Gute Idee Jon! Fragst du Lieutenant Komeda?"

Jon nickte und sagte grinsend: "Ich hau Krzyszek an und sag dir dann Bescheid. Jetzt probier aber mal einen Cocktail, du trocknest ja noch aus!"


Der taktische Offizier Andasa saß am Schreibtisch seines Quartiers und wartete. Er wartete auf eine ganz bestimmte Subraumnachricht, einer dieser eingehenden Rufe, die in keinem Protokoll der Baikonur auftauchen sollten, die der inoffiziellen Art.

Andasa ahnte bereits, mit was seine neue Mission zu tun haben könnte. Der taktische Offizier wollte gerade zum Replikator gehen, da ertönte das Signal seiner Computerkonsole, dass eine Nachricht auf dem Subraumkanal eintraf.

Mit einem Druck auf die Taste des kleinen Geräts aktivierte er sein Terminal. Doch der Bildschirm blieb dunkel, so wie jedes Mal wenn seine Auftraggeber ihn kontaktierten, nur eine Stimme war zu hören: "Guten Abend. Wie sie vielleicht ahnen, hat ihre neue Mission mit den Gästen zu tun, die die Baikonur bald an Bord nimmt. Einer der Gäste, Professor Kaldan, kommt vom Volk der Grae'ne, die scheinbar eine große Macht in ihrem Sektor darstellen. Beschaffen sie uns Informationen über die Grae'ne."

"Verstanden", antwortete Andasa.

"Gut. Wir verlassen uns auf ihre Diskretion. Falls etwas schief laufen sollte... sie kennen ja die Konsequenzen. Morak Ende." Damit endete die Verbindung und in der Stille seines Quartiers schmiedete Andasa bereits erste Pläne.


In Galauniformen gekleidet standen Captain Rubliowa, Commander McNamara und Lieutenant Commander Fox im Transporterraum 1 und warteten auf die Ankunft der Gäste. Nika McNamara hatte sich in der Galauniform nie so recht wohl gefühlt. Wie sie fand waren diese Uniformen viel zu unbequem geschnitten und ließen ihre Träger viel zu stoisch erscheinen.

Der Transporterchief hinter der Konsole meldete, dass er nun bereit sei, die Personen an Bord zu beamen. Captain Rubliowa gab den Befehl den Beamvorgang auszuführen und die Führungsoffiziere drehten sich zur Transporterplattform um, wo die zehn Gäste bereits rematerialisierten.

Vier der Gäste waren völlig in Raumanzüge gekleidet, da sie eine andere Atmosphäre benötigten. Unter den dunklen Gläsern ihrer Helme waren ihre Gesichtszüge nicht zu sehen, aber an den Körperproportionen und unterschiedlichen Gliedmaßen waren sie gut als fremde Wesen zu erkennen. Eines dieser Wesen unterschied sich von allen anderen, da es in einen völlig runden, etwa anderthalb Meter großen Schutzanzug gekleidet war. Die restlichen sechs Gäste benötigten keine Schutzanzüge und abgesehen von dem Gast der einer quallenartigen Spezies angehörte, hatten sie eine recht humanoide Erscheinung.

"Herzlich Willkommen an Bord der USS Baikonur. Ich bin Captain Rubliowa", begrüßte der Captain die Gäste und deutete dann zuerst zu Nika, dann zu Jeliah, um sie vorzustellen: "Mein erster Offizier Commander McNamara. Mein zweiter Offizier Lieutenant Commander Fox."

Nika, die rechts von Rubliowa stand, nickte den Gästen freundlich zu, während die Gesichtszüge von Miss Fox die typisch vulkanische Emotionslosigkeit beibehielten. Dabei fiel Nika auf, dass Miss Fox die Galauniform als Einzige gut stand. Die Uniform unterstrich ihren vulkanischen Charakter.

Die Philosophen gingen die Stufen von der Transporterplattform hinunter auf die Führungsoffiziere zu. Einer der Gäste ging allen voran und stellte sich vor: "Ich bin Tomal, und wurde zum Leiter der Gruppe gewählt. Im Namen aller möchte ich mich herzlich bei ihnen bedanken. Wir sind sehr erfreut auf ihrem Schiff reisen zu dürfen."

Er reichte Rubliowa eine seiner drei Hände und meinte dann: "Man hat mir gesagt, das wäre die bei ihnen übliche Begrüßungsgeste..."

Rubliowa lächelte freundlich und ergriff die Hand Tomals: "Ganz richtig, Mister Tomal."

Danach hüpfte der in einen ballartigen Schutzanzug gekleidete Philosoph nach vorne und ließ mehrere Pieps- und Pfeiftöne von sich, während er die Führungsoffiziere und den Transporterchief interessiert musterte. Ein anderer trat neben das ballartige Wesen und meinte dann, über einen Lautsprecher an seinem Raumanzug: "Ganz recht, geehrter Mompkins. Diese Wesen sind tatsächlich zweigeschlechtlich. Äußerst interessant, nicht wahr?"

Nika hatte diese Szene völlig aus dem Konzept gebracht. Sie wusste nicht so recht, wie sie darauf reagieren sollte. Captain Rubliowa indes behielt einen kühlen Kopf und ignorierte einfach diese kleine Szene und erklärte dann: "Meine Herren. Ihr Gepäck wurde bereits separat in ihre Quartiere gebeamt. Ich möchte sie nun zu einer Schiffsführung einladen."

Der Vorschlag wurde allgemein erfreut angenommen und die Gäste folgten dem Captain in den Gang hinaus. Besonders die als Mompkins bezeichnete Person schien sehr über die bevorstehende Schiffsführung erfreut. Er hüpfte hintendrein und liess ganze Symphonien von Pieps- und Pfeiftönen von sich.

Im Transporterraum blieben Nika und Miss Fox mit dem Transporterchief zurück. Lächelnd wandte sich Nika an Jeliah und fragte: "Glauben sie nicht auch, dass es noch eine interessante Reise werden könnte?"

Miss Fox zog lediglich eine Augenbraue hoch und schaute mit fragendem Blick zurück.


Die Ebene-Drei-Diagnose der Antriebssysteme war soeben beendet und Chefingenieur Ferkon Zatar studierte gerade das Ergebnis, als er vom Eingang zum Maschinenraum mehrere Stimmen vernahm. Dabei musste es sich um die Gruppe der Gäste handeln, die an der Schiffsführung teilnahmen. Etwas mürrisch legte Ferkon das PADD beiseite und ging um die Ecke, um die Gäste in Empfang zu nehmen und für Fragen bereit zu stehen. Auch wenn er für die momentane Mission Verständnis hatte, so war ihm der Besuch dieser Leute in seinem Maschinenraum nicht gerade recht. Er hatte hier seine Arbeit zu erledigen und war nicht davon begeistert, diese für die Gäste unterbrechen zu müssen.

Captain Rubliowa kam mit Gefolge auf ihn zu und erklärte den staunenden Gästen: "Dies ist der Maschinenraum, die Antriebssektion unseres Schiffes. Hier wird durch die Reaktion von Materie und Antimaterie Energie für den Antrieb und den Betrieb der Baikonur gewonnen."

Die Gäste schauten sich interessiert um und einige studierten die Anzeigekonsolen an den Wänden. Rubliowa deutete auf Ferkon und meinte: "Unser Chefingenieur, Mister Zatar wird ihnen gerne ihre Fragen beantworten."

Daraufhin hüpfte ein ballartiges Wesen aus der Gruppe hervor und liess ein Piepsen von sich hören, das wohl die Sprache dieses Lebewesen darstellte. Ein anderer Gast trat anschließend hinzu und erklärte: "Mein Kollege Mompkins lässt fragen, ob sie Freude an ihrem Beruf haben."

Ferkon war einige Sekunden verwirrt. Eine solche Frage hatte er überhaupt nicht erwartet. Vielmehr Fragen technischer Natur zum Warpantrieb oder den Betriebssystemen des Schiffes. Nachdem er sich eine Antwort zurecht gelegt hatte, entgegnete er: "Ja, es ist eine sehr abwechslungsreiche Arbeit, die technischen Systeme der Baikonur in Gang zu halten und stetig zu verbessern. Eine sehr verantwortungsvolle und herausfordernde Arbeit."

Ferkon wartete nun auf weitere Fragen, die, so hoffte er, mehr mit der Technik des Schiffes zu tun hatten. Doch keiner der Gäste schien mehr eine Frage stellen zu wollen. Also verkündete Rubliowa: "Ich denke, wir lassen Mister Zatar weiter seine Arbeit machen und gehen weiter zum Arboretum."

Die Gruppe wandte sich wieder dem Ausgang zu, als Mompkins wieder kurz piepste und sein Kollege übersetzte: "Mein Kollege Mompkins wünscht ihnen weiterhin viel Spass bei der Arbeit."


Auf der Brücke der Baikonur hatte Katya wieder in ihrem Kommandostuhl Platz genommen. Hier hatte sie den Schiffsrundgang beendet und Counselor Ranoo war mit den Gästen bereits auf dem Weg ins Salyut, wo die Philosophen bei einer kleinen Stärkung miteinander diskutieren konnten.

Katya war nun doch etwas erleichtert, den Rundgang hinter sich und die Philosophen in die Obhut des Counselors übergeben zu haben. Die Gelehrten hatten sich als äußerst kompliziert und etwas exzentrisch gezeigt, was den Umgang mit ihnen nicht ganz leicht machte.

"Captain, ich registriere einen unangemeldeten, stetig wachsenden Energieverbrauch", meldete Lieutenant Corelli von der Ops. Er tippte einige Male auf seine Konsole und berichtete: "Der Maschinenraum hat dieselbe Beobachtung gemacht. Mister Zatar konnte den Energieverbrauch bis in eines der Quartiere der Gäste zurückverfolgen und hat auch einen nicht autorisierten Zugriff auf unseren Hauptcomputerkern aus demselben Quartier registriert."

Erstaunt schaute Katya zu Mister Corelli. Auch wenn die Gäste ihr etwas exzentrisch erschienen waren, so hatten sie dennoch einen sehr höflichen Eindruck gemacht. Ein solches Verhalten hatte sie nicht erwartet.

"Um welches der Gästequartiere handelt es sich, Mister Corelli?", fragte Commander McNamara und trat zum Lieutenant an der Ops.

"Das Quartier von Professor Kaldan."

"Commander McNamara, gehen sie zu diesem Quartier, befragen Professor Kaldan zu diesen Vorgängen und veranlassen ihn, den Zugriff auf unseren Computer einzustellen und den Energieverbrauch zu senken", wies Katya ihren ersten Offizier an. Sie war etwas erbost über die Unverschämtheit des Professors und hoffte, dass ihnen weitere Überraschungen erspart blieben.


Im Salyut war jede Menge los, neben den üblichen Crewmitgliedern, waren nun auch die mitreisenden Philosophen in der Bar und saßen in kleinen Grüppchen an Tischen und diskutierten. Jon ging auf einen der Tische zu, an dem vier der Philosophen saßen. Doch auch als er unmittelbar vor dem Tisch stand, bemerkten sie ihn nicht, so sehr schienen sie in ihr Gespräch vertieft zu sein.

"Ich muss schon sagen, meine lieben Kollegen, wenn ich auch finde, dass einige philosophische Ansätze der Menschen geradezu erschreckende Tendenzen aufweisen, so muss ich zugestehen, dass mich einige ihrer größten Philosophen durchaus beeindruckt haben", sagte ein kleiner, untersetzter Mann in die Runde. Sein Gesprächspartner, ein in einen Raumanzug eingepacktes Wesen, entgegnete durch einen außen angebrachten Lautsprecher: "Sie belieben wohl zu scherzen, geehrter Herr Kollege Quarkis. Wenn ich auch bereit bin, der Menschheit, so wie einigen anderen Völkern der Föderation, eine gewisse philosophische Ader anzuerkennen, so muss man doch nach eingehenden Studien eindeutig feststellen, dass ihre größten Philosophen auf der Stufe des Täronoptikums stehen geblieben sind."

"Dem möchte ich ganz entschieden wiedersprechen, geehrter Dorak'Dekon!", mischte sich nun der dritte Gesprächspartner ein und erläuterte, während er mit seinen drei Armen gestikulierte: "Ich wage es durchaus Partei für die Menschen zu ergreifen. Sicher, es gab einige philosophische Irrwege in ihrer Geschichte, doch zeigen die Hauptströmungen ihrer wichtigsten Lehren eindeutig in die lobenswerte Richtung der Sokandium-Theorie. Vor allem in der jüngeren Geschichte der Menschheit hat sich diese Richtung eindeutig herauskristallisiert und daher attestiere ich der Menschheit eine glühende, philosophische Zukunft."

Als der selbsternannte Anwalt der Menschheit sein Statement beendet hatte, wippte der vierte Gesprächspartner, dessen Schutzkleidung sehr an einen überdimensionierten Medizinball mit elektronischem Schnickschnack erinnerte, pfeifend und piepsend auf und nieder. Sein Nebensitzer, der ebenfalls in einen Raumanzug gekleidete Dorak'Dekon, neigte sich ihm zu und meinte mit entsetzter Stimme: "Geehrter Mompkins, sie wollen doch nicht sagen, dass sie der Ansicht unseres geehrteren Sefra'den etwa zustimmen?"

Doch der Ball hüpfte nun noch mehr auf und nieder und gab noch lautere Pfeiftöne von sich, was allgemein als eine Bestätigung der Frage verstanden wurde.

Jon, der bisher teilnahmslos neben den vier Gästen gestanden hatte und völlig irritiert dem Gespräch gefolgt war, wurde nun plötzlich von den Philosophen wahrgenommen und mit Interesse beäugt. Etwas verlegen räusperte sich der Barkeeper und fragte: "Möchten sie etwas zu trinken?"

"Nein danke", antwortete der Mann mit den drei Armen. Nach einem fragendem Piepsen des ballartigen Wesens erklärte sein Nebensitzer im Raumanzug: "Nein, der Herr möchte uns nichts verkaufen. Er fragte, ob wir etwas zu trinken wünschen."

Ein weiteres Piepsen und Pfeifen ging von dem wie ein Ball geformten Wesen aus und der Nebensitzer erklärte mit mitleidigem Tonfall: "Es gibt in diesem Teil der Galaxie viele Lebewesen, die zur Aufrechterhaltung ihres Energiehaushaltes die Zufuhr von Lebensmitteln benötigen."

Wieder piepste und pfiff der Ball und hüpfte dabei aufgeregt auf der Stelle. Sein Gesprächspartner lehnte sich zurück und meinte dann mit leicht entsetzter Stimme: "Niedlich? Ich würde eher sagen, es sind äußerst bedauernswerte Geschöpfe."

Jon begriff, dass an diesem Tisch seine Dienste nicht gebraucht wurden und drehte sich um. Als er sich langsam vom Tisch entfernte, hörte er noch, wie einer der vier wieder den philosophischen Diskurs aufgriff: "Haben sie schon von der vulkanischen Philosophie gehört? Als ich ihre Lehren gelesen habe, sträubten sich mir alle vier Perkonhärchen. Man sollte diese Vulkanier alle in einen Philosophiekurs für Anfänger schicken!"

Als er auf einen weiteren Tisch zuging, an dem ebenfalls zwei Philosophen saßen, bemerkte er, als er auf Hörweite herangekommen war, dass sie sich mitten in einer hitzigen Debatte befanden.

"...und darum sage ich, dass 'Die vier Säulen des Propentius' das überragende philosophische Werk der letzten tausend Trikonen darstellt!", beendete der beleibte Redner mit emotionsgeladener Stimme und schlug zur Bestätigung seiner Theorie mit allen vier Händen fest auf den Tisch. Sein Gegenüber, ein quallenartiges, bunt beflecktes Wesen kreiste mehrmals seinen Kopf und meinte: "Geehrter Maranaphis, verzeihen sie bitte diese Worte, aber sie sind ein naiver Trottel!"

Als sie Jon neben sich bemerkten, unterbrachen sie ihren philosophischen Streit und richteten ihre Aufmerksamkeit auf den vorsichtig näherkommenden Barkeeper. Dieser beschloss, die beiden so höflich wie er es sich von den anderen vier Philosophen abgeschaut hatte, anzusprechen: "Wünschen die geehrten Gelehrten etwas zu trinken, oder sind sie auf Nahrungszufuhr nicht angewiesen?"

Das quallenartige Wesen schlug alle seine acht Tentakel über seinem rosa anlaufenden Kopf zusammen und schrie entsetzt: "Die philosophischen Grundwerte der Galaxis stehen auf dem Spiel und seiner einer fragt mich ob ich etwas zu trinken wünsche!? Verrückte! Ich bin von Verrückten umgeben!"

Mit diesen Worten stand der Philosoph auf und verließ schnell die Bar, während er weiter mit den Tentakeln gestikulierte und laut rief: "Verrückt, alle verrückt!"

Irritiert schaute Jon dem Quallenwesen hinterher und fragte sich, ob nun er oder dieser Philosoph verrückt wäre und ob ihm die Antwort auf diese Frage überhaupt etwas nützen würde. Ein leichtes Räuspern riss ihn wieder aus seinen Gedanken. Der am Tisch verbliebene Philosoph hob eine Hand und meinte: "Ich nehme ein Glas flüssigen Sauerstoff mit einem Schuss Pephopheron."


"Also wenn ich sie richtig verstehe, besteht ihre Philosophie aus der Ablehnung jeglicher Philosophie?", fragte Lemexx Ranoo, der erstaunt den Ausführungen Professor Po'ns gefolgt war und dessen Standpunkt nicht so recht verstand.

"Wenn sie es so ausdrücken wollen, ja", entgegnete der Professor und setzte zu einer erneuten Erklärung an: "Was ist der Sinn der Philosophie? Erkenntnis! Erkenntnis über das Sein an sich. Also anders ausgedrückt: Die Suche nach der Wahrheit. Doch eine solche objektive Wahrheit kann sich Wesen unserer Art nicht erschließen. Wenn es sie überhaupt gibt, dann kann dies uns nur in einer völlig anders gearteten Form der Existenz gelingen. Aber einen solchen evolutionären Schritt kann nur die Natur selbst vollziehen, nicht die Wissenschaft. Daher ist jegliches philosophische Streben völlig sinnlos, fehlgeleitet und daher abzulehnen."

Lemexx musste sich das Ganze noch mal auf der Zunge zergehen lassen. Ein Philosoph, der eine Art Anti-Philosophie vertrat. Von so etwas hatte er noch nie gehört und es war eigentlich ein Widerspruch in sich. Er hatte ja erwartet, an interessanten Debatten und kontroversen Diskussionen teilnehmen zu können, aber eine solch radikale Ansicht war ihm nie in den Sinn gekommen. Weil er immer noch etwas erstaunt war, fragte er: "Aber was bedeutet dies nun genau für die Praxis? Welche Konsequenzen müssten daraus gezogen werden?"

"Natürlich müssten sämtliche Bücher und Datenträger mit philosophischen Werken als nützlichere Dinge wie Matratzen oder ähnliches wiederverwertet werden. Der wichtigste Schritt wäre die Auflösung sämtlicher philosophischer Universitäten und Einrichtungen. Die Gebäude könnten dann von wesentlich praxisnaheren Institutionen, wie dem Amt für Staatskosmetik oder dem Verein für soziale Wassergymnastik genutzt werden."

"Nun, Professor Po'n, ein sehr interessanter Standpunkt. Aber wie wird ihre Meinung bei ihren Kollegen aufgenommen?", wollte Lemexx zum Schluss noch wissen. Der Professor lächelte ironisch und meinte: "Meine Kollegen? Sie hassen mich!"


Die Tür öffnete sich und Commander McNamara betrat das Quartier des Professors Kaldan und was sie dort zu sehen bekam, hatte sie nicht im Geringsten erwartet. Das gesamte Quartier war zugestellt mit Computerterminals und Kabel verliefen kreuz und quer durch die Zimmer. Bei einem Philosophen hätte sie ein solch riesiges Computersystem nie erwartet und sie fragte sich, wozu der Professor so etwas brauchte.

Dieser stand trotz des Signals des Türsummers immer noch mit dem Rücken zu ihr vor einem Terminal und las irgendwelche Anzeigen von einem Bildschirm ab.

Nika ging näher auf den Professor zu und betrachtete dabei einige der Geräte. Dabei fiel ihr auf, dass sie die Geräte hinter den Glasvitrinen stark an positronische Gehirne erinnerten.

Erst als Nika zwei Meter hinter dem Professor stand, drehte er sich um und fragte: "Ja, bitte?"

"Professor Kaldan, sie haben unerlaubt auf unseren Hauptcomputerkern zugegriffen und haben einen ständig steigenden Energiebedarf", sprach Nika den Gast auf die Vorfälle an. Dieser jedoch schwieg, als ob er nicht begriff, worauf sie hinaus wollte. Also fuhr sie mit noch energischerer Stimme fort: "Sie müssen dies umgehend rückgängig machen."

Da reagierte der Professor plötzlich: "Aber, meine Forschungen?"

"Professor, selbstverständlich können sie ihre eigenen Computerterminals ohne weiteres verwenden, aber ein Zugriff auf den Computerkern ist nicht gestattet. Diese Verbindung müssen sie umgehend beenden!"

Professor Kaldan schaute sich in seinem Quartier um, wandte sich von Nika ab und der Computerkonsole vor ihm zu. Während er am Terminal Instruktionen eingab, erklärte er: "Aber… ich kann die Verbindung mit ihrem Computerkern nicht abrupt schließen. Das würde Jahre meiner Forschungen zunichte machen… Ich benötige unbedingt etwas Zeit… zehn Stunden mindestens."

"Es tut mir leid Professor, sie haben sechs Stunden Zeit", sagte Nika mit energischer Stimme, vielleicht mit etwas mehr Strenge als sie eigentlich wollte.


Als der Erste Offizier der Baikonur sein Quartier wieder verlassen hatte, betrachtete Professor Kaldan nachdenklich sein Hauptcomputerterminal. Wie sollte er in sechs Stunden alles rückgängig machen? Die Verbindung zum Computerkern des Schiffes war nicht unbedingt nötig, aber hatte ihm so einiges erleichtert und vor allem vieles beschleunigt. Aber jetzt die Verbindung in nur wenigen Stunden zu unterbrechen, das war mehr als kritisch.

Das war das Leidliche mit Leuten, die den Sinn seiner Arbeit nicht verstanden. Sie hielten seine Forschungen für überflüssig. Philosophen ebenso wie Laien, verstanden nicht, wozu seine Forschungen wichtig waren. Keiner konnte verstehen, dass es doch auch so etwas wie experimentelle Philosophie gab, die der klassischen in nichts nachstand, wenn nicht sogar bedeutender war. Nicht wenige warfen ihm auch Grausamkeit vor, weil sie seine Experimente für unmoralisch hielten. Doch was sollte daran unmoralisch sein?

Er wollte einen Beweis erbringen und dazu war diese Arbeit unbedingt nötig, und seine Probanden litten nicht mehr, als jedes andere sterbliche Wesen.


Noch am selben Abend saß Captain Rubliowa zusammen mit Counselor Ranoo, Commander McNamara, einigen anderen Crewmitgliedern und den zehn Gästen im Salyut und lauschte dem Konzert der Jazz Junkies.

Seit dem letzten Konzert hatte die Jazzcombo ihren Stil sehr verändert. Der Bandleader Krzysztof Komeda hatte vor dem Konzert erklärt, dass sie den Modern Jazz vom Ende des zwanzigsten Jahrhunderts der Erde wieder aufgegriffen und mit Elementen andorianischer und bolianischer Musik weiter entwickelt hatten.

Katya verstand nicht allzu viel von Musiktheorie und mit dem neuen Stil der Jazz Junkies konnte sie sich nicht so recht anfreunden. Dennoch war es ein sehr interessanter und vor allem anspruchsvoller Jazz und sie war stolz, dass sie ihren Gästen so etwas bieten konnte.

Ihre Wut, über den Vorfall vom Nachmittag, hatte sich wieder gelegt. Professor Kaldan hatte sich vor dem Konzert bei ihr entschuldigt und erklärt, dass in zwei Stunden die Verbindung zwischen seinem Computersystem und dem der Baikonur geschlossen würde. Katya war nicht nachtragend und war bereit, über den Vorfall hinwegzusehen.

Sie schaute kurz zu ihrer Linken und sah den sichtlich desinteressierten Kaldan drei Plätze weiter sitzen. Irgendetwas schien ihn sehr zu beschäftigen. Er war wohl nur aus einem gewissen gesellschaftlichen Zwang und aus Höflichkeit anwesend.

"Eine sehr interessante Darstellung mathematischer Strukturen. Aber mir ist der Zweck dieser Veranstaltung nicht ersichtlich. Wozu dient diese… Musik?", fragte Maranaphis, der neben dem Captain saß und sich an den Captain wandte, als die Combo ein Stück abschloss. Für einen Moment war Katya völlig irritiert, denn es erschien ihr zuerst völlig abwegig, dass jemand den Sinn von Musik nicht verstehen konnte.

"Nun, Professor Maranaphis…", begann sie mit einer Erklärung: "Im Grunde gibt es keinen bestimmten, zielgerichteten Zweck. Es bereitet uns vor allem Freude. Gerade bei solch einer komplexen Musikart wie dieser finden einige von uns sehr viel Freude daran, sich auf die Musik zu konzentrieren. In sie hineinzutauchen und auf sich wirken zu lassen."

"Ah ja", meinte der Professor nachdenklich und fügte hinzu: "Sehr interessant. Sicher ein lohnendes Feld für Forschungen. Ein sehr interessanter Aspekt, wirklich!"

Dann vernahm Katya von Rechts ein lautes Piepsen und Pfeifen, das von Professor Mompkins kommen musste. Sein ständiger Begleiter, Professor Dorak'Dekon beugte sich vor und übersetzte für Katya: "Mein Kollege Mompkins ist sehr begeistert von diesem Jazz. Er lässt fragen, ob er vielleicht einige Aufnahmen dieser Musik erhalten könnte."

Mit einem Lächeln und erfreut darüber, dass immerhin einer der Gäste Gefallen am Konzert fand, antwortete sie: "Das lässt sich bestimmt einrichten."


Vorsichtig ging Andasa durch das Quartier. Der Boden war mit kreuz und quer liegenden Kabeln übersät, die eine Unmenge von Stolperfallen darstellten und ihn dazu zwangen, aufmerksam und mit äußerster Vorsicht einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Der Moment war günstig gewesen. Als der Professor das Quartier verlassen hatte, um zum Konzert der Jazzcombo zu gehen, hatte sich Andasa heimlich hinein gebeamt, um seinen Auftrag zu erledigen. Doch bisher hatte er in den persönlichen Sachen des Professors nichts Verwertbares gefunden. Professor Kaldan schien eine sehr spartanische Person zu sein.

Langsam ging er auf das Hauptcomputerterminal zu und betrachtete nachdenklich die Anzeige. Wozu die ganze Anlage dienen sollte, war ihm nicht klar, aber er erkannte, dass eine Verbindung zum Computersystem der Baikonur bestand. Also musste er nur ein Spionageprogramm schreiben, das vom Schiffscomputer aus in die Computeranlage des Professors eindrang und ihm die gewünschten Informationen sammelte. Auch wenn er kein Experte auf dem Gebiet des Programmierens war, ein solches, recht simples Programm gehörte zu seinem kleinen Agenten-Einmaleins.

Mit einem leichten Druck auf das Tastfeld eines kleinen Gerätes aktivierte Andasa den Beamvorgang, der ihn aus diesem Quartier beförderte und in keinem Transporterprotokoll auftauchen würde.


Im Gefolge des Captains verließen die Philosophen den Vorführungsraum in Richtung Salyut und diskutierten wild über die klassische Musik. Das klassische Orchester hatte Beethovens Neunte Symphonie und anschließend die Bennon Sonate des andorianischen Komponisten Tamanik gespielt. Für einige Gäste war das Konzert der Jazz Junkies vom Vortag der erste Kontakt mit Musik gewesen. Entsprechend kontrovers diskutierten sie den neuen Eindruck, den sie soeben erhalten hatten.

Besonders Professor Maranaphis hatte nach dem Jazzkonzert sehr großes Interesse gezeigt und um Informationen gebeten, die er scheinbar über Nacht durchgearbeitet hatte. Dem stets aufgeschlossenen Professor Mompkins, der sich über die klassische Musik genauso begeistert zeigte wie Tags zuvor über den Jazz, hielt er einen Vortrag über Beethoven und den bemerkenswerten Umstand, dass dieser gegen Ende seiner Karriere taub gewesen war.

Katya freute sich sehr, dass die Philosophen an Bord ihres Schiffes so viele neue Eindrücke über die Völker der Föderation gewinnen konnten und es ihnen nicht im geringsten langweilig zu werden schien. Sie war bereits gespannt, wie den Gästen die Darbietung der Theatergruppe am nächsten Tag gefallen würde. Counselor Ranoo und Commander McNamara hatten ein sehr abwechslungsreiches und anspruchsvolles Programm für die Gäste ausgearbeitet. Sie wollte die beiden demnächst ausdrücklich dafür loben.

Sie schaute kurz über ihre Schultern zurück auf die Gruppe der Philosophen und stellte fest, dass Professor Kaldan nicht dabei war. Ihr fiel auf, dass sie ihn auch beim Konzert nicht gesehen hatte.


"ICH HABE MICH WOHL VERHÖRT!?", hallte eine laute Stimme durch das Salyut und Jon Byrd drehte sich ruckartig um in Richtung der Quelle des lauten Schreis. Er sah den Philosophen Maranaphis, der während seines empörten Ausrufs so plötzlich aufgestanden sein musste, dass er den Stuhl hinter sich zu Boden geworfen hatte. Sein Gegenüber, ebenfalls einer der Philosophen blieb jedoch unberührt sitzen und entgegnete sachlich: "Ich sagte, sie sind ein schwachköpfiger Schmalspurphilosoph!"

"DAS WAR EINE REIN RHETORISCHE FRAGE, SIE MALATISCHER SCHLAMMHÜPFER!", schrie Maranaphis noch lauter zurück, während er wild mit allen seinen vier Armen gestikulierte und seinem Gesprächspartner drohende Gesten zeigte. Nun stand auch dieser auf und entgegnete mit einer etwas leiseren, aber nicht weniger wütenden Stimme: "Sie unterbelichtete Sumpfwanakel. Wenn sie nicht in der Lage sind, eine einfache Hypothese zu einem Paradoxon zu verstehen, verdienen sie nicht den Professoren-Titel!"

"HA! Eine Hypothese? Das ist keine Hypothese! Es ist eine Verleumdung!!", gellte der aufgebrachte Maranaphis zurück. Jetzt schien auch der andere seine Beherrschung zu verlieren und brüllte: "SIE SIND DOCH EIN WALDONISCHES KAR...."

"Meine Herren, meine Herren! Ich bitte sie!", schritt Counselor Ranoo hektisch ein, in der Hoffnung, die zwei Streithähne wieder besänftigen zu können: "Ich denke, wir können diesen Streit doch auch friedlich aus der Welt schaffen. Wir sind doch schließlich alle zivilisierte Wesen!"

Die beiden Philosophen schauten zuerst den Counselor völlig verdutzt, anschließend sich gegenseitig an und dann sagten beide gleichzeitig zu Mister Ranoo: "Streit? Das ist doch kein Streit!"

"Also... nun... sie waren eben sehr laut und eine gewisse Aggressivität schien durchaus vorhanden zu sein...", meinte Counselor Ranoo so diplomatisch wie er nur konnte.

"Ach, es war doch lediglich eine kontroverse Diskussion. Gut, zugegeben, vielleicht sind wir in der Hitze der Debatte etwas laut geworden. Aber ich könnte mich doch nie mit einem verehrten Kollegen ernsthaft streiten! Nicht wahr, Kollege Berasal?", erklärte Maranaphis völlig ruhig. Sein Gesprächspartner nickte demonstrativ und fügte hinzu: "Die kleine Meinungsverschiedenheit, beruhte lediglich auf einem kleinen Missverständnis. Ich wollte nur ein Paradoxon verdeutlichen, in dem ich meinte: Wenn mein Kollege Maranaphis sagen würde ‚Alle vom Volke der Kadaniden sind Lügner', so müsse dies ja eine Lüge sein, da er ja selbst ein Kadanide ist'"

Plötzlich sah man wie im Gesicht von Maranaphis wieder die Wut aufstieg und empört beschwerte er sich bei Mister Ranoo: "DA! Da sehen sie es! Wieder diese unverschämte Verleumdung!"

"Aber werter Kollege, dies ist doch lediglich rein hypothetisch!"

"Sie sagen damit aus, ich würde lügen!"

"Bitte beruhigen sie sich!", beschwichtigte Lemexx, dem das Ganze langsam zuviel wurde. All seine Ausbildung in Psychologie und seine Kenntnisse über andere intelligenten Wesen schienen hier völlig nutzlos zu sein. Diese durchaus hoch intellektuellen Philosophen waren zugleich auch extrem exzentrisch. Er wagte es fast nicht zu denken, aber sie waren infantil und verrückt. Irgendwie wünschte er sich Unterstützung von einer Kindergärtnerin.

Gerade wollte Berasal zu einem weiteren verbalen Konter ansetzen, da drängte sich Jon Byrd zwischen die Streithähne und Counselor Ranoo. Er hatte schon genug Erfahrungen mit trinkenden Raufbolden gemacht und wollte nicht noch einmal erleben, wie solche Gestalten seine Bar verwüsteten. Daher sagte er zu den zwei Philosophen in einem freundlichen Tonfall: "Ich schlage vor, sie trinken noch mal gemütlich ein Getränk und vergessen das Ganze, indem sie über andere, angenehme Dinge sprechen. Denn ein lauter und wütender Streit, der hier alle anderen Gäste bei ihren philosophischen Gesprächen stört, müsste doch völlig gegen alle ihre philosophischen Grundwerte der Galaxie sein."

Verschämt schauten die zwei Philosophen zu dem Barkeeper und dann verlegen auf den Boden. Dann reichte Berasal Maranaphis eine Hand und entschuldigte sich: "Verzeihen sie mir werter Kollege. Es tut mir leid, es war nie meine Absicht zu behaupten, sie seien ein Lügner!

"Und ich entschuldige mich für meine ausfallenden Beleidigung, verehrter Berasal!", entgegnete Maranaphis, als er mit einer seiner vier Hände die ausgestreckte Hand seines Kollegen ergriff. Danach setzten sich die zwei in völliger Eintracht wieder an ihren Tisch und begannen eine freundschaftliche Unterhaltung über die Vorzüge von Raumschiffbars und Freigetränken.

"Danke, Jon!", sagte Lemexx erleichtert, als sie gemeinsam den Tisch der beiden Philosophen verließen. Als sie ein paar Meter in Richtung der Theke gegangen waren, kamen Dorak'Dekon und Mompkins auf sie zu. Das Piepsen und Pfeifen des ballartigen Mompkins wurde von seinem Begleiter übersetzt: "Mein Kollege Mompkins meint, sie sollten Philosoph werden. Das eben wäre eine überaus famose Theorie gewesen, Mister Byrd."

Jon zuckte mit den Schultern, schaute dann für einen kurzen Moment Lemexx an und meinte dann verwirrt: "Ich hatte überhaupt keine Ahnung, wovon ich da gesprochen habe!"


Eine seltsame Mischung aus Mitleid und Hilflosigkeit machte sich in ihm breit, als er völlig in Gedanken versunken eines der positronischen Gehirne hinter der Vitrine betrachtete. Dieses merkwürdige Gefühl überkam ihn öfters, wenn er die Computeranlage betrachtete.

An der Hauptkonsole überwachte er jeden einzelnen und kannte jeden von ihnen besser als sie sich selbst. Auf eine sonderbare Art und Weise betrachtete er sie als seine Kinder. Doch während er ihren Lebensweg beobachtete, konnte er nichts für sie tun. Wie oft hatte er sich gewünscht, lenkend in ihr Schicksal eingreifen zu können? Aber er durfte sich nicht einmischen und ihre Wege lenken.

Im Namen der Wissenschaft war er zu untätigem Beobachten und Analysieren verdammt. So sehr es ihn auch schmerzte, eine Einmischung konnte er sich nicht erlauben. Manchmal fragte er sich, ob er nicht schon längst den nötigen wissenschaftlichen Abstand zu seinem Experiment verloren hatte. In diesen Momenten des Mitleids und der Melancholie konnte er die Vorwürfe seiner Kritiker beinahe verstehen.

Ein Warnsignal der Hauptkonsole riss ihn aus seinen Gedanken. Nachdem er sich der Konsole zugewandt hatte, las er die Statusanzeige vom Bildschirm ab. Zuerst konnte er nicht glauben, was ihm das Überwachungsprogramm mitteilte. Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein! Aber auch das zweite von ihm aufgerufene Diagnoseprogramm gab ihm dieselbe Information.

Hastig rief er mehrere Unterprogramme auf, in der Hoffnung, den Fehler dort zu finden. Doch vergeblich. Sein komplettes Experiment drohte zu scheitern. Angst erwachte in ihm, dass bereits alles verloren war, all die Jahre der Mühe und des geduldigen Überwachens vergeblich gewesen waren.

Dennoch versuchte er zu retten, was zu retten war. Verzweifelt klammerte er sich an die Hoffnung, den Fehler noch einmal rückgängig machen zu können. Ständig aktivierte er weitere Scan- und Reparaturprogramme, die er einst zur Sicherheit installiert hatte. Doch ein Programm nach dem anderen versagte bereits kurz nach seiner Aktivierung.

Als er sah, dass seine Mühe vergeblich war, stützte er sich mit beiden Armen auf der Computerkonsole ab und betrachtete hilflos die Anzeige auf dem Bildschirm, die ihn über den weiteren Verfall seines Experiments informierte. Nun sah er nur noch eine Chance, eine Notlösung, die er lieber nicht in Betracht gezogen hätte. Aber die Umstände ließen ihm keine Wahl. Er musste die komplette Anlage formatieren und anschließend mit einer älteren Sicherungskopie neu bespielen. Das würde seine Forschung um mindestens zwei Jahre zurück werfen, doch somit konnte er das Experiment an sich retten.

Mit einem traurigen Gefühl zog er aus einem Behälter einen etwa anderthalb Meter langen und zehn Zentimeter Dicken Datenchip hervor und betrachtete ihn für einige Sekunden. Dann steckte er den Datenchip in das entsprechende Lesewerk. Wehmütig und etwas widerwillig rief er an der Hauptkonsole das Programm zur kompletten Formatierung auf. Eine Weile betrachtete er nachdenklich die Anzeige auf seinem Bildschirm, wo er noch ein letztes Mal zwischen ‚Ja' und ‚Nein' wählen konnte. Aber es hatte keinen Zweck, es war die einzige Möglichkeit all seine Mühen zu retten.

Langsam hob er die Hand, um mit dem Finger die ‚Ja'-Taste zu drücken. Doch sein Finger war gerade wenige Millimeter vom Bildschirm getrennt, als ihn eine Energieladung traf und niederstreckte. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis es um ihn herum Schwarz wurde.


Die Philosophen verließen zusammen mit Captain Rubliowa und Counselor Ranoo das Salyut. Jon schaute ihnen hinterher und schüttelte den Kopf. Diese Gäste waren mehr als nur verwunderlich. Noch nie hatte er in seiner Laufbahn als Barkeeper so komische Gestalten kennengelernt.

Erst eben hatte er mit zwei der Philosophen über die Schaumkronen beim Bier diskutiert. Die beiden Gelehrten waren am Ende zum Schluss gekommen, die weiße Farbe deute auf die Unschuld der Barkeeper hin. So ein Quatsch, natürlich war Jon unschuldig, wenn man von etwas Kopfschmerzen oder dem ein oder anderen Beziehungskrach bei einigen seiner Gäste absah.

"Hi Jon! Ein karanisches Bier bitte!", ertönte eine Stimme und riss Jon wieder aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und sah Tobias an der Theke sitzen, der jeden Tag nach seiner Schicht im Salyut sein Feierabendbier trank.

"Kommt sofort!", entgegnete Jon und ging zum Kühlschrank, um eine Flasche karanisches Bier herauszuholen. Doch leider war zwischen den verschiedenen Sorten Getränke keine einzige Flasche karanisches Bier mehr. Er würde Jebediah bitten müssen, eine Alarmsirene zu installieren, die Bescheid geben konnte, wenn etwas zur Neige ging.

Er verschwand kurz im Vorratsraum, um von dort eine Flasche Bier zu holen, doch als er wieder hervorkam schüttelte er den Kopf und sagte zu Tobias: "Leider ist keine Flasche mehr da. Karanisches Bier ist alle..."

Sylvia, die Kellnerin, huschte schnell an ihm vorbei und bedachte ihn mit einem frechen Lächeln als sie unkte: "Tja, dann musst du wohl oder übel den Replikator bedienen."

"Ja, ja, mach dich ruhig darüber lustig!", grummelte Jon, der Replikatoren entschieden ablehnte. Sylvia nützte diese Eigenschaft gerne, um ihn gelegentlich mit einer spöttischen Bemerkung zu sticheln. Als er sich missmutig zum Replikator umwandte, meinte er: "Keiner weiß mehr echte Getränke zu schätzen. Dieses ganze Trinkplastik kann doch nicht gesund sein!"

"Einmal einen halben Liter karanisches Bier, kühl!", befahl Jon dem Replikator hinter der Theke. Auf seine Bestellung hin, begann das Gerät zu summen und mit einem Leuchten materialisierte ein Gegenstand auf der Replikatorfläche. Doch anstatt eines Halbliterkruges mit karanischem Bier, stand dort eine Tasse in Form eines Frauenkörpers.

Wütend drehte sich Jon um und starrte mit verärgerter Miene zu Sylvia: "Ok, wer hat am Replikator rumgespielt?!"


"Ich bin geradezu erschüttert! Es war mir gar nicht bewusst, dass das Paarungsverhalten bei zweigeschlechtlichen Wesen derart kompliziert und lebensgefährlich ist!", erklärte Professor Maranaphis seinem Kollegen Dorak'Dekon, als die Gruppe den Theatersaal der Baikonur verließ und sich wieder auf den Weg in das Salyut machte.

Dorak'Dekon schien eine Art Nicken anzudeuten und stimmte seinem Gesprächspartner zu: "Ja, da gebe ich Ihnen Recht. Ich wusste, dass es bei drei- oder viergeschlechtlichen Lebewesen äußerst kompliziert ist. Aber derartiges hätte ich bei zwei Geschlechtern nie erwartet!"

Professor Mompkins hüpfte neben beiden her und gab in seiner pfeifenden und piepsenden Sprache einen Kommentar, dem Dorak'Dekon mit einem betonten "Ganz Recht!", zustimmte.

Katya, die zusammen mit Counselor Ranoo der aus Gästen und Crewmitgliedern bestehenden Gruppe voraus ging, war vollkommen zufrieden. Die Theateraufführung von ‚Romeo und Julia' war der Abschluss und der Höhepunkt des Programms für ihre Gäste gewesen und hatte sich als voller Erfolg erwiesen. Die Baikonur und ihre Crew hatten sich von der besten Seite gezeigt.

Die drei Tage waren inzwischen fast vorüber und in weniger als 11 Stunden würden sie auf Tichy IV eintreffen.

"Commander McNamara an Captain Rubliowa. Ihre Anwesenheit auf der Brücke ist unbedingt erforderlich!", unterbrach die Stimme des Ersten Offiziers aus dem Interkom den Captain in ihren Gedanken. Katya kannte ihren Ersten Offizier inzwischen so gut, dass sie den besorgten Unterton heraushörte. Es musste sich also um eine ernste Angelegenheit handeln.

"Bin unterwegs!", bestätigte Katya kurz und wandte sich dann an die Gruppe hinter sich: "Mich ruft die Pflicht. Counselor Ranoo wird sie nun ins Salyut begleiten, wo sie gemeinsam die eben gewonnenen Aspekte des menschlichen Lebens erörtern können. Entschuldigen sie mich bitte."

Nach diesen Worten wandte sie sich von der Gruppe ab und bog in einen Seitenkorridor ein, um zu einem Turbolift zu gelangen. Während sie zur Brücke fuhr, fragte sie sich, um was für ein Problem es sich handeln könnte. Sie hoffte inständig, dass nun, ausgerechnet zum Ende dieser Mission, keine Katastrophe eintreten würde. Bisher war doch eigentlich alles sehr erfolgreich verlaufen.


©2011 USS Baikonur This page was last modified on 24 August 2011, at 15:15.