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From USS Baikonur

Enge
Autor: Nika McNamara
Sternzeit: 69.917,1


"Sir, das Dossier, das Sie angefordert haben...", kommentierte Clarissa Honetdue die Unterlagen, die sie ihrem Vorgesetzten vorlegte.

Admiral Horner nickte lächelnd und wandte sich wieder dem Bericht zu, der ihn gerade beschäftigte. Erst als seine Sekretärin noch einmal die Stimme erhob, schenkte er ihr mehr Aufmerksamkeit.

"... und Admiral Shniklukreis hat wieder eine Erinnerung geschickt. Er bittet dringend um einen Rückruf..." Clarissa sah den Admiral erwartungsvoll an.

Der Caitianer hatte in den vergangenen zwei Wochen fast täglich um eine Unterredung mit Horner gebeten. Dieser ließ sich aber beständig entschuldigen und hatte genügend Vorwände, keine Zeit für einen Rückruf haben. Seit nunmehr drei Tagen allerdings war Shniklukreis noch hartnäckiger bei der Sache. Als stellte er sich eine Erinnerung im Intervall von zwei Stunden, fragte er immer wieder an, ob Horner zu sprechen sei und bat um baldigen Rückruf.

Horner seufzte und legte die Stirn in Falten. "Wie oft hat er heute angerufen?", fragte er skeptisch. Er war sich nicht sicher was ihn mehr nervte, die Anrufe selbst, oder die Hartnäckigkeit seines Kollegen.

Und obwohl Clarissa nicht anzusehen war, wie sie darüber dachte, war er sich doch sicher, dass seine Sekretärin noch genervter war, als er selbst. Schließlich nahm sie all diese Rufe entgegen und tischte dem Caitianer eine Ausrede nach der anderen auf. "Fünfmal Sir.", antwortete sie ehrlich, was Horner zu einem erneuten Seufzen brachte.

"Wie kann man nur so stur sein!?", schüttelte er verärgert den Kopf. Er hatte eine ziemlich gute Vermutung, was Shniklukreis mit ihm besprechen wollte. Und nach dem letzten Gespräch mit dem anderen Admiral, hatte er gehofft, dass der Caitianer sich nach einem anderen für die ehrenvolle Aufgabe umschauen würde, die er abzugeben gedachte.

"Morgen.", erklärte Lee Horner. "Wenn er sich noch mal meldet, rufe ich ihn morgen zurück."

Clarissa zog skeptisch die Stirn in Falten. "Ich schwöre es.", beschwichtigte Horner reumütig, wissend wie loyal seine Sekretärin hinter ihm stand und alle unliebsamen Anrufer vertröstete.

"Gut. Dann richte ich ihm das aus.", antwortete sie zufrieden und verließ das Büro.

Als Lee Horner sein Büro zwei Stunden später verließ, war auch die unermüdliche Clarissa noch bei der Arbeit. Sie hob nur kurz den Blick von einem Stapel PADDs, als er heraustrat.

"Kam noch etwas?", wollte der Admiral wissen, während er seinen Schirm aus dem dafür vorgesehenen Ständer vor der Garderobe nahm.

"Nur die neuen Statusberichte. Admiral Shniklukreis hat sich nicht mehr gemeldet.", gab die Sekretärin routiniert Auskunft.

Letzteres überraschte den Admiral dann aber doch. Der Ausdruck von Erleichterung machte sich auf seinem Gesicht breit. Vielleicht hatte der Caitianer jetzt endlich eingesehen, dass das Kapitel 'logistische und bürokratische Beaufsichtigung der Prometheusklasse’ für Horner längst abgehakt war.


Nur wenige Minuten später schloss sich hinter dem Admiral die heimatliche Tür. Während er den Schirm an dessen Stammplatz verstaute, rief er zur eigentlichen Wohnung hinüber: "Schatz, ich bin zu Hause."

"Wir sind im Wintergarten", antwortete seine Frau Amelia. Er hörte, einen Stuhl rücken und vermutete, dass sie ihm entgegen kam. Hielt jedoch inne. 'Wir?’

Niesend trat Amelia in den Flur und begrüßte ihren Mann. "Pünktlich wie immer." Sie hauchte ihm einen Kuss zu.

"Du hast Besuch?", wollte Lee wissen und verstaute noch seine Aktentasche. Amelia wollte eben zurück gehen, als sie anhielt und ihn fragend ansah.

"Es ist ein Admiral... Shni...ku... Ein Caitianer. Er meinte, Ihr hättet noch etwas zu besprechen. Ich bin davon ausgegangen, Du wüsstest davon?"

"Caitianer, ja? Shniklukreis... Das hätte ich mir ja denken können.", grollte Lee. "Ist diesem Mann eigentlich gar nichts heilig?"

Amelia zuckte irritiert zusammen. Derartige Schimpftiraden war sie von ihrem Mann nicht gewöhnt. Andererseits trennte er gewöhnlich die Arbeit von seinem Privatleben so strikt, dass sie hinter Shniklukreis’ Besuch eher eine private Angelegenheit vermutet hatte, die diese Reaktion allerdings nicht rechtfertigte. Wieder nieste sie. "Ich - ähm... werde Euch natürlich nicht stören. Ich bin dann oben."

"Es wird nicht lange dauern, Liebes." Lee stapfte grummelnd in den Wintergarten hinüber. "So eine Frechheit."

"Lee!", begrüßte der Caitianer seinen Kollegen. Behände war er auf die Füße gesprungen. Immer noch unterschwellig schnurrend, über dem Glas Milch, welches Amelia ihm vor wenigen Minuten serviert hatte.

"Shniklukreis", entgegnete Lee genervt. Doch bevor er noch mehr sagen konnte, hatte sein Gegenüber schon wieder das Wort an sich gerissen. "Sie müssen mir wirklich mein unaufgefordertes Auftauchen hier verzeihen." Der Caitianer senkte kurz den Blick. "Leider ließen Sie mir ja keine andere Möglichkeit, Sie zu sprechen..."

"Sie hätten in mein Büro kommen können.", knurrte Horner kein bisschen besänftigt.

Shniklukreis Schnurren veränderte sich leicht, so dass man es für ein belustigtes Schnauben halten konnte. "Aber ich war in ihrem Büro. In den letzten zwei Wochen sogar mehrfach. Seltsamerweise waren Sie immer, wenn ich dorthin kam, zu Tisch oder in längeren Besprechungen, bei der Planung neuer Projekte oder... schlicht und ergreifend nicht da." Er atmete tief durch und nahm wieder in dem Korbsessel Platz.

Neuer Ärger kochte in Horner hoch. "Und dann tauchen Sie eben einfach hier auf... Meine Frau hat eine Katzenhaarallergie!"

"Achso.", erkannte Shniklukreis. "Dennoch hat sie mich sehr freundlich empfangen. Kann es sein, dass ich sie neulich auf dem Rumba-Festival in Havanna gesehen habe? - Aber... ach, das ist ja unwichtig."

"Allerdings." Nachdem der Caitianer nun schon einmal saß und dieses Gespräch wohl unumgänglich war, nahm auch Horner nun endlich Platz. Nicht ohne sein Gegenüber mürrisch anzublicken.

"Verzeihen Sie mir, wenn ich es so direkt anspreche: Aber es ist mehr als offensichtlich, dass Sie sich verleugnen lassen. Doch mein Anliegen lässt sich nun nicht länger aufschieben." Shniklukreis nahm einen kleinen Schluck Milch ohne den anderen Mann aus den Augen zu lassen. "Morgen Abend startet die Thor zu ihrer Tiefenraummission. Aber das ist Ihnen sicher schon bekannt. Die aktuellen Planungen gehen davon aus, dass wir wenigstens sechs Monate unterwegs sein werden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es länger dauert. Vielleicht werden es zwölf oder gar 18 Monate - ganz abhängig von dem, was uns auf unserer Mission erwartet! - In der Zeit bis zu unserer Rückkehr, brauche ich einen zuverlässigen Stellvertreter für das Prometheus-Projekt. Alle anderen Aufgaben konnte ich bereits verteilen. Nur dieses nicht." Er sah Horner erwartungsvoll an. Dieser schnaubte. "Das war mir völlig klar. Ich dachte allerdings, dass ich mich deutlich ausgedrückt hätte, was meine Ansichten zu diesem... Projekt betrifft."

Das hatte er tatsächlich. Nach Shniklukreis Rückkehr war er erleichtert gewesen, die logistische und bürokratische Beaufsichtigung der Prometheus-Klasse wieder abgeben zu können. Horner war bekennender Liebhaber der Sovereign-Klasse und hatte sich nie für Schiffe, die sich in mehr als zwei Teile spalten konnten, sonderlich erwärmen können. Trotzdem hatte er während der Abwesenheit des Caitianers sein Bestes getan, dieses Projekt nicht stiefmütterlich zu behandeln. Shniklukreis war ihm damals wie heute äußerst dankbar dafür, doch gerade heute bereute Horner seine damalige Einsatzbereitschaft. Dieser verdankte er es schließlich, dass sein Gegenüber niemand anderem sein Steckenpferd anvertrauen wollte.

"Es wäre nur vorübergehend.", versicherte Shniklukreis. Es entstand eine kleine Pause, in der die beiden Admirals einander stur ansahen. Dann fügte er noch an: "Wir haben in den letzten Monaten viele Verbesserungen und Neuerungen an der Prometheus-Klasse vorgenommen. Ich habe Ihnen da schon ein paar rudimentäre Informationen zusammengestellt. Und selbstverständlich würde ich mich freuen, wenn Sie das nicht vernachlässigen würden... Die neuen Schiffe laufen auch unter 'Prometheus-Refit’..."

Horner zog eher verächtlich eine Augenbraue hoch. Verbesserungen an Schiffsklassen waren gewöhnlich nichts Erwähnenswertes, sondern einfach Gang und Gäbe. "Ich verstehe nicht, warum diese Aufgabe nicht jemand anders übernehmen kann. Mein Terminkalender platzt aus allen Nähten. Ich bin vollauf mit der Instandsetzung diverser Sternenbasen und Außenposten beschäftigt und koordiniere den Aufbau der Muskat-Kolonien. Da kann ich nicht auch noch dieses - entschuldigen Sie - antiquierte Raumschiffsklassen-Projekt gebrauchen."

Shniklukreis Nackenhaare sträubten sich leicht, doch sein Gesicht ließ keine Rückschlüsse auf seine Gedanken zu. In unvermindert sanftem Tonfall erwiderte er: "Das ist es ja eben, was ich versuche Ihnen zu sagen. Die Prometheus-Klasse ist längst nicht mehr so antiquiert, wie Sie glauben. Die Forschungen zu weiteren Verbesserungen der Klasse, wie für jede aktive Raumschiffsklasse, gehen beständig weiter. Es ist nicht meine Absicht, Sie mit einer weiteren Aufgabe zu belasten. Aber ich weiß, dass niemand mich so würdig vertreten könnte wie Sie - und um es mal deutlich auszusprechen: Man lässt mir freie Hand in der Auswahl der Leute, denen ich meine Obliegenheiten bis zu meiner Rückkehr anvertraue. Nichtsdestotrotz bin ich heute hier, um Sie zu bitten dieses Projekt für mich zu übernehmen." Er machte eine kurze Pause und meinte dann: "Bitte. Sie werden es ganz sicher nicht bereuen."

Horner war noch immer skeptisch, atmete jedoch tief durch und legte die Stirn in Gedankenfalten. "Und wenn ich ablehnen würde?"

Shniklukreis horchte auf. So lapidar wie sein Gegenüber sich angehört hatte, klang das schon wie eine halbe Zusage. Erstaunlicherweise. Er hatte befürchtet, dass es mehr als einer Bitte bedurfte, Horner zu überzeugen.

"Dann muss ich heute noch viele Überstunden machen und doch noch jemand anderen finden.", antwortete der Caitianer ernst und verlieh seiner Stimme gekonnt einen Hauch von Bedauern.

Horner schnaubte leise. "Also schön. Ich mache es. Aber dafür schulden Sie mir was, klar?"

Shniklukreis begann zu strahlen.


Sternzeit 69.921,6

Chefingenieur hatte sich auf dem Display ein Schema aufgeschaltet, das die Energieleitungen im Schiff hervorhob. Grübelnd betrachtete und verglich er es mit einer kleineren Abbildung der Hauptverteilerknoten. Die Manöver in den Badlands - speziell nachdem die Pah-Geister an Bord gekommen waren und Lieutenant Floyd diverse Schiffssysteme sabotiert hatte - forderten ihren Tribut. Vor der Rückkehr nach Bajor und nach Deep Space Nine waren nur die nötigsten Reparaturen durchgeführt worden. Jetzt war die Zeit für Details, Feintuning und die ein oder andere vorgezogene Wartungsarbeit.

In diesem Zusammenhang kam dem Zaldaner die Rückkehr Ensign Smocks mehr als nur gelegen. Im Moment gab es wirklich für jeden genug zu tun. Er hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als sich zischend die große Tür zum Maschinenraum geöffnet hatte. Mehr aus Gewohnheit warf Zatar einen Blick zum Eingang. Es war tatsächlich Jebediah Smock der soeben eintrat.

Zatars nächster Blick galt, ebenso gewohnheitsmäßig, dem Zeitdisplay. Es war genau 7 Uhr. Auf die Minute genau. Der Chefingenieur zog eine Augenbraue hoch. Er kannte Smock nicht als unpünktlich - eher als... ja eigentlich war Smock immer als erster da. Was ihn aber wirklich verwunderte war nicht die Überpünktlichkeit des Ensigns sondern die Tatsache, dass er den Maschinenraum zum ersten Mal zum Schichtbeginn ordnungsgemäß durch die Tür betrat.

"Na... Seht mal wer da ist.", kommentierte Sam LeClerk erfreut und begrüßend Richtung Tür. Er stand an dem Display auf der anderen Seite, aber niemandem war Jebediahs Ankunft entgangen. Doch das Gesicht des Viertelsklingonen blitzte nicht wie üblich frech grinsend zu ihm herüber. Ziemlich förmlich steuerte er stattdessen auf Zatar zu. "Melde mich zum Dienst zurück, Sir."

Der Zaldaner musterte ihn für einen Moment abschätzend. Dieses Verhalten war so ungewohnt an Smock, dass er für einen Augenblick glaubte, der Ensign würde gleich loslachen und so etwas wie 'Reingelegt!’ rufen. Doch nichts dergleichen geschah.

"Voll einsatzfähig, möchte ich hoffen? Es gibt viel zu tun.", antwortete Zatar mit einem kurzen Seitenblick auf die silbrig schimmernde Hand seines Gegenübers.

"Selbstverständlich Sir.", bestätigte Smock nur. Von jedem anderen hätte man den Kommentar vielleicht für taktlos gehalten. Doch wer Zatars direkte manchmal schroffe Art kannte, wusste dass sich dahinter auch eine unausgesprochene Frage nach dem Wohlbefinden verbarg.

"Gut. Dann habe ich hier gleich was für Sie. Wir sind gerade erst aus den Badlands zurück gekommen. Das ganze hat uns zwei Verteilerknoten und einige Leitungen gekostet. Kümmern Sie sich mit Cortez darum." Er streckte dem Ensign ein PADD entgegen und wandte sich dann einem anderen Display zu.

Jebediah überflog kurz das PADD und das korrespondierende Schema auf dem Display. Dann kam auch schon Javier Cortez mit zwei Werkzeugkoffern und etwas zusätzlicher Ausrüstung aus dem Ersatzteillager. "Morgen", grüßte er gut gelaunt. "Können wir?"

"Ich bin bereit.", bestätigte der Viertelsklingone und war bereits auf dem Weg.

Als einige Minuten hinter einander durch die Jefferies-Röhren gekrochen waren und den ersten Verteilerknoten erreicht hatten, machten sie sich an die Arbeit. "Es ist wohl überflüssig, Dich zu fragen, ob Du im Urlaub entspannen konntest, oder?", fragte Cortez ironisch. Niemandem waren die Veränderungen an Smock entgangen und wer darauf gewöhnlich nicht achtete, war von Kollegen und der wie immer tadellos arbeitenden Gerüchteküche darauf aufmerksam gemacht worden.

Cortez war allerdings erst der Dritte, der diese Tatsache mehr oder weniger offen ansprach. In gewisser Weise war es Jebediah aber lieber so, als wenn dauernd jemand heimlich auf die silbrige Ersatzhand schielte, um schnell den Blick abzuwenden, sobald er demjenigen selbst ins Gesicht sah. Dennoch mochte er es nicht, wenn andere sich in seine privaten Angelegenheiten einmischten. Daher antwortete er recht abweisend: "Niemand hat behauptet, ich würde einen Erholungsurlaub antreten."

Damit konnte Cortez nicht wirklich viel anfangen, er ließ es jedoch dabei. Grundsätzlich, das war ihm auch selbst klar, ging es ihn wohl nichts an, wie sein Kollege den Urlaub verbrachte.


Sternzeit 69.922,4

"Zeitpunkt des Todes: 14 Uhr 21." Doktor Mendra Tapan trat vom Operationstisch zurück. Sie nahm ein PADD von ihrem Assistenten entgegen, und setzte eine Bestätigung des soeben gesagten darunter. Dann gab sie es zurück und sagte: "Erledigen Sie hier den Rest. Ich bin in meinem Büro." Ihre Stimme klang kühl und distanziert. Nicht wenige der restlichen Assistenten im Raum starrten sie entsetzt und vorwurfsvoll an. Unter den Händen der Bajoranerin war gerade ein junges Mädchen ihren Verletzungen erlegen und die kalten Worte wirkten wie Schläge.

Doch wer die Ärztin kannte, sah, dass der Ausdruck in ihren Augen, ebenso wie ihre Körperhaltung ihre Worte Lügen strafte.

Im Nebenraum entledigte sich Tapan der OP-Kleidung und wusch sich gründlich die Hände. Auch wenn sie während der Operation selbstverständlich Handschuhe getragen hatte, hatte sie das dringende Bedürfnis, sich das Blut von den Händen zu waschen. Die ganze Operation wollte sie sich weg waschen - am liebsten sogar die Erinnerung daran.

"Sie hat es nicht geschafft.", empfing sie die mitfühlende Stimme ihres Vorgesetzten und Vertrauten, Commander Umat al Jubair. Es war keine Frage. Natürlich nicht. Sie wäre noch nicht zurück, wenn die Operation anders verlaufen wäre.

"Woher weißt Du es?", fragte Tapan matt und ließ sich auf ihren Stuhl fallen.

"Ich wollte eben nach dem Vater sehen..." Er betrachtete die Freundin aufmerksam. Wenn jemand bemerkte, wie niedergeschlagen sie war, dann er. Nur selten hatte er die Bajoranerin so gesehen. Denn sie war ehrgeizig und gewöhnlich auch erfolgreicher bei ihrer Arbeit. Dass sie zuletzt einen Patienten verloren hatte, war Jahre her. "Du möchtest jetzt vermutlich alleine sein.", erklärte Umat. Die ganze Zeit hatte er im Türrahmen gestanden und wandte sich nun zum Gehen. "Falls Du reden möchtest, weißt Du, wo Du mich findest."

"Nummer fünf." Er hatte noch keinen Schritt getan, als die Ärztin diese Worte flüsterte. Nur leicht überrascht drehte der Commander sich wieder um. "Das war nicht Deine Schuld.", sagte er sanft.

"Aber es fühlt sich so an.", widersprach Tapan. "Wer sonst hätte ihr denn helfen können? - Ich war da. Ich hätte ihr helfen müssen. Ich bin dafür ausgebildet..."

"Du hast getan, was Du konntest."

"Sie war fast noch ein Kind...", begann die Bajoranerin von Neuem und wurde abermals unterbrochen: "Du hast getan, was Du konntest!", wiederholte Umat schärfer, um jeden weiteren Einwand zu unterbinden. Er war wieder in den Raum getreten und blieb vor dem Schreibtisch stehen, auf dem Tapan die Ellbogen aufstützte um den Kopf auf ihre Hände zu legen.

"Du hast Recht", seufzte sie unvermittelt und sorgte damit für Verwunderung bei ihrem Gegenüber.

"Womit?", fragte er entsprechend misstrauisch in der Ahnung, dass sie nicht seine letzten Worte meinte, sie habe getan, was sie konnte. Auch damit sollte er Recht behalten.

"Ich wäre jetzt lieber allein."

Umat nickte. "Du weißt, wo du mich findest."

Nachdem die Tür sich zischend hinter dem Commander geschlossen hatte, atmete Tapan tief durch. Natürlich wusste sie, dass es stimmte, was er gesagt hatte. Selbstverständlich hatte sie getan was sie konnte. Aber es war eben nicht genug gewesen. Sie hatte versagt.


Viele Lichtjahre entfernt, betrat in diesem Augenblick Captain Rubliowa ihren Bereitschaftsraum um den eingehenden Ruf aus dem Hauptquartier entgegen zu nehmen. Lässig setzte sie sich auf ihren Platz und schaltete das Display auf ihrem Tisch ein. "Guten Tag, Admiral.", begrüßte sie den Vorgesetzten. Ihre Überraschung darüber, dass es nicht das gewohnte Gesicht von Admiral Shniklukreis war, das ihr entgegen blickte, überspielte sie geschickt. Horner jedenfalls war es nicht aufgefallen, als er den Gruß erwiderte. "Wie Sie sicher wissen, werde ich die Vertretung für Admiral Shniklukreis übernehmen.", folgerte er daher und fuhr fort, ohne eine Bestätigung abzuwarten. "Wie ich höre, lobt Premierministerin Lana Sie in den höchsten Tönen. - Schön, dass die Mission noch ein so gutes Ende gefunden hat... In diesem Zusammenhang: Wie läuft die Integration des EliteForce-Teams?"

"Wie geplant, mit einem kleinen zeitlichen Vorsprung. Das Team ist ja schon eher an Bord gekommen. Der Arrestzellenbereich auf Deck 15 wird derzeit zum Team-Bereich umgebaut.", antwortete Rubliowa schlicht mit einem kurzen Seitenblick auf die ihr vorliegenden Informationen zum Fortschritt der Umbau-Arbeiten.

"Ah... sehr schön. Eine ausgezeichnete Idee. Wie soll dieser Bereich aussehen?", wollte Horner neugierig wissen. Nach längerer Testphase vereinzelter EliteForce-Teams wurden jetzt immer mehr Schiffen solche Einheiten zugewiesen. Die Begeisterung hielt sich auf den meisten dieser Schiffe in Grenzen. Zu viele fühlten sich an Zeiten des Krieges erinnert, befürchteten womöglich, die Teams würden in Erwartung der Dinge, die da kommen mochten auf den Schiffen stationiert. Es war schließlich kein Geheimnis, dass die diplomatischen Beziehungen zu den Sheliak kaum noch eben diese Bezeichnung verdienten.

Auf der Baikonur hingegen, waren die neuen Teams überraschend positiv aufgenommen wurden. Ob das nun mit den Umständen des an Bord Kommens zusammenhing oder nicht, Horner sah es mit Zufriedenheit.

"Der Bereich bietet genügend Platz für einen Team-Bereitschaftsraum, ein kleines Büro sowie einen Besprechungsraum, für taktische Einsatzplanungen und Besprechungen.", erklärte Rubliowa. "Wenn Sie möchten, lasse ich Ihnen die Pläne zukommen?"

"Oh, das wird nicht nötig sein.", winkte der Admiral jedoch ab und besann sich des eigentlichen Grundes für seinen Anruf. "Wenn die übrigen Wartungsarbeiten abgeschlossen sind, habe ich einen neuen Auftrag für Sie. Nichts Erhebendes. - Ein Forschungsteam hat auf Delkon II seine Arbeiten abgeschlossen. Ich übermittle Ihnen noch genauere Informationen zum Team. Holen Sie sie ab und bringen Sie sie zur Sternenbasis 388. Das Team wird einige Proben mit sich führen. Die Spezifikationen übermittle ich Ihnen ebenfalls, damit Sie die nötigen Vorbereitungen treffen können. Es wäre wünschenswert, wenn Sie bereits auf dem Rückweg mit dem Team zusammen erste Analysen machen könnten."

"Verstehe.", erklärte die Captain knapp und ließ sich die parallel übermittelten Daten anzeigen. "An was für Analysen dachten Sie?"

"Das wird Ihnen Doktor Yerestahan besser erklären können. Er ist Leiter des Teams.", antwortete Horner.

"Gut", Rubliowa nickte. "Die Wartungsarbeiten sind noch nicht komplett abgeschlossen. Sobald wir fertig sind, lasse ich Kurs setzen."

"Schön. Wenn Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich bitte direkt an Doktor Yerestahan. Er ist über Subraum erreichbar."

"Natürlich, Sir.", bestätigte die Captain. Sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Horner froh war, das Gespräch hinter sich gebracht zu haben und sich schnellstmöglich anderen Dingen zuwenden wollte.

"Horner - Ende.", beendete er auch gleich das Gespräch.

Katya hingegen wandte sich zunächst weiteren eingegangenen Nachrichten zu und fand darunter auch eine von Admiral Shniklukreis, in der er sie von einer Tiefenraummission in Kenntnis setzte, auf die er sich mit der USS Thor begeben hatte. Mehrere Monate könne die Mission dauern, während derer Admiral Horner ihn vertreten sollte. "Gut zu wissen.", murmelte die Russin vor sich hin.


Jebediah verstaute den Werkzeugkoffer sorgfältig an seinem Platz. Die erste Schicht nach Dienstantritt hatte er also hinter sich. Ein wenig reizte ihn der Gedanke die Arbeit am Energienetz noch weiter zu führen, denn so fähig Cortez auch war, er war auch relativ langsam. Jedenfalls für die Begriffe des Viertelklingonen. Ab und an war ihm der Kollege mehr wie ein Klotz am Bein, denn wie eine Hilfe vorgekommen. Aber diese Art von Arbeit verlangte nun einmal zwei Personen. Alleine würde er heute nicht mehr viel schaffen können. Davon einmal abgesehen spürte er doch allmählich eine leichte Müdigkeit und bevor er endgültig 'abschalten’ konnte, stand noch ein Besuch auf der Krankenstation an. Doktor Piel hatte ihm bereits zugesagt, dass es keine Schwierigkeiten geben würde, eine neue Hand zu synthetisieren. Der Dominionkrieg hatte die Forschungen auf speziell diesem Gebiet der Medizin rasch voran getrieben.

Als er wenige Minuten später die Krankenstation erreicht hatte, hörte er schon vom Korridor aus leise verärgerte Stimmen.

"Das tut mir wirklich leid.", versuchte Schwester Kimberly eine ihm unbekannte Frau zu vertrösten. Unbekannt insofern, dass er sie bisher nur aus der eingeschränkt zugänglichen Personalakte kannte.

Major deVille verzog etwas säuerlich den Mund. "Er hat mich doch hier her bestellt. Hat der Mann keinen Terminplaner?"

"Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten", schaltete sich nun auch Ensign Mlara ein, die gerade aus dem hinteren Behandlungsbereich nach vorne gekommen war. "Wenn Sie wollen, kann ich die Antrittsuntersuchung durchführen." Als Assistenzärztin hatte sie solche Untersuchungen schon oft durchgeführt. Allerdings fand sie es ebenso ungewöhnlich, dass Doktor Piel für die Mitglieder der EliteForce Termine gemacht hatte, die er anschließend selbst nicht wahrnahm.

"Meinetwegen.", antwortete Joe etwas besänftigt. Wer die Untersuchung durchführte war ihr im Grunde egal, solange derjenige dafür qualifiziert war. Dennoch hatte Piel dadurch einige Sympathiepunkte eingebüßt. Sie folgte der Assistenzärztin und ließ Schwester Kimberly erleichtert durchatmend zurück.

"Ist Doktor Piel nicht hier?", fragte Smock sie dennoch und sah sich neugierig um. Fast erwartete er, der Arzt tauche jeden Augenblick aus seinem Büro auf. Schließlich hatte dieser ihn gebeten, gleich nach Dienstschluss vorbei zu kommen. Allerdings hatte es sich angehört, als habe er es mit Major deVille nicht anders gehandhabt.

"Nein. Tut mir leid.", bestätigte Kimberly die Befürchtung des Ingenieurs. "Er ist bereits gegangen."

Jebediah stutzte. "Bereits gegangen?", echote er.

"Eh... ja, warum?", fragte Kimberly vorsichtig.

"Er... er hat mich gebeten _nach_ Dienstschluss vorbei zu kommen.", antwortete der Viertelsklingone und deutete ansatzweise Richtung Mlara und deVille, weil es der Major ebenso ergangen war, wie ihm. Nach einer kurzen Pause fragte er: "Aber er wird sicher gleich wieder kommen, oder?"

"Das glaube ich nicht, Sir", entgegnete die Schwester jedoch. "Sein Dienst ist für heute vorbei..."

"Mhm", grummelte Smock daraufhin. "Und wann ist er wieder da? Morgen früh, wenn mein Dienst wieder anfängt?"

"Um sieben Uhr, wird er wieder da sein. Ja. - Tut mir wirklich leid.", erklärte Kimberly kleinlaut obwohl sie nichts für das Durcheinander konnte. "Vermutlich hat er die Termine an einem anderen Tag eingetragen."

"Vermutlich", schnaufte Smock. "Guten Abend.", verabschiedete er sich dann. Er würde am nächsten Morgen noch einmal vorbei schauen. Mit etwas Glück wäre Piel ein paar Minuten vor Dienstbeginn bereits hier. Und wenn es etwas später würde, würde Zatar einfach Verständnis dafür haben. Auch wenn sich alles in Jebediah dagegen sträubte, bereits am zweiten Tag den Dienst zu spät anzutreten.

Doch als Jebediah am folgenden Morgen, nur wenige Minuten vor Dienstbeginn die Krankenstation betrat, war Doktor Piel noch nicht da. Gabriella, die diensthabende Schwester erklärte der Arzt habe soeben gemeldet, dass er sich vermutlich verspäten würde, und bat den Ingenieur später wieder zu kommen.


Tatsächlich traf Lukas Piel erst am späten Vormittag auf der Krankenstation ein. Als Chefarzt hatte er natürlich den Vorteil, hier keinem Vorgesetzten Rechenschaft ablegen zu müssen. Da er darüber hinaus wegen seiner Verspätung Bescheid gegeben hatte, stellte auch niemand unangenehme Fragen. Sein erster Weg führte ihn routinemäßig in sein Büro, wo in einem Eingangsfach Notizen über alle durchgeführten Behandlungen in seiner Abwesenheit lagen. Besondere Vorkommnisse hatte es keine gegeben, wie er beim Überfliegen feststellte. Aber damit hatte er auch nicht gerechnet. In diesem Falle wäre er dann doch gerufen worden.

Gerade als er weitere Informationen überflog ertönte ein leises Piepen vom Terminal her, das seine Aufmerksamkeit erregte.

"Doktor", Schwester Gabriella trat mit einem weiteren PADD ein. Piel registrierte es mit einem leichten Seufzen.

"Jetzt nicht", sagte er schroff. Dem Piepen auf den Grund gehend, hatte er nämlich gerade einen Blick in den Terminkalender geworfen, welcher ihm eine Besprechung der Führungsoffiziere anzeigte, zu der er bereits zu spät war.

"Aber...", setzte Gabriella erneut an.

Piel hob die Hand. "Ist es ein Notfall?", wollte er wissen.

"Eh... nein, nur..."

"Dann wird es bis nachher warten müssen. Besprechung der Führungsoffiziere." Mit diesen Worten verschwand der Arzt so schnell wie er gekommen war und ließ die Schwester verärgert zurück. Pfleger Kilan trat zu ihr und sah der sich schließenden Tür zu.

"So kann das nicht weiter gehen.", seufzte Mlara, die wie am vergangenen Abend vom Behandlungsbereich nach vorne kam. "Ich konnte drei von sieben Patienten heute Morgen übernehmen, zwei hatten einen Termin bei ihm persönlich und wollten nur von ihm behandelt werden, bei den anderen war ich bereits beschäftigt. Es kann ja wohl nicht sein, dass er nur noch im Notfall verfügbar ist!"

Wenige Minuten später betrat Doktor Piel als Letzter, wie er es befürchtet hatte, den an die Brücke grenzenden Besprechungsraum.

"Entschuldigen Sie bitte die Verspätung.", brachte er hastig hervor und schlüpfte auf den noch freien Platz.

Captain Rubliowa nickte ihm jedoch nur zu. "Gut. Jetzt wo wir vollzählig sind: Commander, Sie haben die Informationen für den neuen Auftrag zusammengetragen. Bitte."

Die Angesprochene nickte ebenfalls und begann mit ihren Ausführungen. "Das Forschungsteam auf Delkon II hat dort aus den tieferen Gesteinsschichten das sogenannte Delkonium extrahiert. Es sind mehrere Testreihen geplant, um daraus einen Treibstoff für Raumschiffe zu entwickeln. Ich habe mich bereits mit Doktor Yerestahan in Verbindung gesetzt und seine Anforderungen für die ersten Analysen an Mister Floyd weitergegeben. Sie können uns sicher mehr dazu sagen?"

"Selbstverständlich", bestätigte der Wissenschaftschef. "Der Aufbau wird Sie sicher wenig interessieren. Zunächst einmal gilt es die genauen Eigenschaften des Stoffes zu ergründen. Leider basiert unser Wissen über Delkonium derzeit nur aus den - unbestätigten - Theorien der Delkonianer, die selbst kein Interesse an der Förderung haben. Was wir bisher sicher wissen, ist, dass der Stoff nur in den tieferen Gesteinsschichten des Planeten vorkommt. Hier aber reichlich vorhanden ist. In seinem Normalzustand ist es zähflüssig. Bei den uns üblichen Umgebungstemperaturen geht es allerdings in Gas über und ist - zumindest für Delkonianer - hochgiftig. Wir haben daher Sicherheitsvorkehrungen getroffen, damit nichts entweichen kann."

"Ich vermute das Team verfügt bereits über entsprechende Transportbehälter?", versicherte sich Tarlan.

"Selbstverständlich."

"Gut. Die Details entnehmen Sie bitte den PADDs.", erklärte Katya daraufhin. "Mister Zatar, wie weit sind die Wartungsarbeiten?"

Der Chefingenieur lehnte sich leicht vor. "Die meisten Arbeiten sind abgeschlossen. Wir sind noch an der Energieversorgung und bei der neuen Struktur der EliteForce-Zentrale. In Anbetracht der neuen Mission und der Flugdauer zum Delkon-System würde ich aber sagen, dass die Restarbeiten durchaus unterwegs durchgeführt werden können. Ein stationärer Aufenthalt ist für diese Arbeiten nicht erforderlich."

"Ausgezeichnet.", äußerte die Captain. Das war genau das, was sie sich erhofft hatte. So wichtig es ihr war, das Schiff wieder voll einsatzfähig zu haben - sie wollte so schnell wie möglich hier weg, bevor Premierministerin Lana mit einem weiteren Babysitter-Auftrag herausrückte. Sie traute der Frau jedenfalls zu, dass sie für das Aussprechen ihres hohen Lobes, noch den ein oder anderen Gefallen einfordern könnte.

Sie wandte sich an das neueste Crewmitglied am Tisch. Major deVille saß aufmerksam der Unterhaltung folgend neben dem gegenüberliegenden Kopfende des Tisches. "Major, ich bin sicher Ihre Teams haben einige Standardmanöver parat. Es wäre mir ganz Recht, wenn Sie diese Vorgehen mit Commander McNamara und Lieutenant Tarlan abstimmen würden. Es ist mir wichtig, dass wir im Fall der Fälle vorbereitet sind."

deVille nickte. "Ja Captain. Ich habe bereits mit Commander McNamara gesprochen und wir haben ein gemeinsames Training für die EliteForce-Teams und die Sicherheitscrew geplant."

Lukas Piel starrte derweil still vor sich auf die matte Tischplatte, tief in seine eigenen Gedanken versunken. So sehr er auch versuchte der Diskussion zu folgen, es wollte ihm nicht gelingen. Er hörte jedes einzelne Wort, aber nicht eines drang so weit vor, dass er es hätte verarbeiten oder irgendwie sonst aufnehmen können. Viel Gerede war es. Wenig Taten. Und dann war da diese Enge, die sich in letzter Zeit immer mehr um ihn zusammen zu ziehen schien. Manchmal, wie auch jetzt, fühlte er sich wie unter einer Glasglocke, die verhinderte, dass die Worte anderer an ihn heran drangen und ihn von jedem und allem isolierte. So eng der Raum auch war, er war auch völlig leer.

Lukas atmete tief durch um das inzwischen nur allzu vertraute Gefühl der aufsteigenden Panik zu verdrängen. Still sagte er sich sein Mantra auf. Zu oft nützte diese Taktik nichts mehr. So war er dankbar, als die Kollegen um ihn herum sich unvermittelt erhoben. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass Rubliowa die kleine Runde aufgelöst hatte. Die Ablenkung kam ihm jetzt jedoch sehr gelegen. Wie die anderen stand er auf und eilte etwas schneller als sie zum Ausgang. Die Türen des Turbolifts hatten sich bereits hinter ihm geschlossen, als die übrigen überhaupt die Brücke betraten.

Als kurz darauf Commander McNamara mit einigen ihrer Kollegen ebenfalls im Turbolift stand und bereits ein Deck tiefer wieder aussteigen wollte, bat sie: "Counselor, hätten Sie einen Moment Zeit?"

"Natürlich.", antwortete Ranoo überrascht und folgte ihr zu ihrem Quartier.

Die Commander wanderte gleich hinüber zu ihrem Arbeitsbereich und bot dem Counselor einen Stuhl an. "Danke, dass sie gleich Zeit haben."

"Das ist doch selbstverständlich.", antwortete er. "Worum geht es denn?" Nachdem sich die telepathischen Fähigkeiten der Halb-Haliianerin gezeigt hatten, war sie eine Zeit lang zu Gesprächen zu ihm gekommen. Seit längerem jedoch war dies nicht mehr nötig gewesen.

"Es geht um Doktor Piel.", erklärte sie offen heraus. "Wie Sie wissen blockiere ich meine Fähigkeiten, die Gedanken anderer zu lesen. So auch bei Doktor Piel. Aber mir ist aufgefallen, dass er in letzter Zeit sehr... ja... wie soll ich sagen. Er ist ziemlich unausgeglichen. Wenn er in der Nähe ist, spüre ich Nervosität, Angst,... bisweilen sogar aufkeimende Panik." Sie wartete kurz Lemexx' Reaktion ab. Die Überraschung auf seinem Gesicht verriet ihr, dass er das an dem Arzt noch nicht bemerkt hatte und dass dieser folglich auch noch nicht mit einem Anliegen in dieser Richtung bei dem Counselor gewesen war. "Ich mache mir etwas Sorgen, um Mister Piel.", fügte Nika an.

"Völlig verständlich.", meinte Lemexx nachdenklich. Der Doktor hatte noch immer regelmäßig Termine bei ihm, hatte die letzten jedoch aus Zeitmangel verschoben. Nach dem zweiten Verschieben hatte er selbst auf der Krankenstation vorbei geschaut, um sich zu versichern, dass Piel sich nicht um die Sitzungen zu drücken versuchte und den Doktor bei einer Behandlung angetroffen. Seine Sorgen hatten sich dadurch zerstreut. Nun bereute er, dass er nicht stärker dahinter geblieben war, die Sitzungen schneller nachzuholen. Noch heute würde er einen neuen Termin ansetzen. "Danke für diesen Hinweis.", ergänzte er. "Ich werde mich gleich darum kümmern."

"Gut. Danke."


Tapan stand am Fenster ihres Quartieres und blickte auf den Stellar-Nebel außerhalb. Während dem Dominionkrieg hatten sich Schiffe beider Seiten darin versteckt, sich gegenseitig gejagt und vor allem um das benachbarte System gekämpft, das durch diesen Nebel am einfachsten zugänglich war. Als die Föderation empfindliche Rückschläge einstecken musste, gehörte jenes System zu den ersten, die man aufgegeben hatte. Mehrere Planeten waren zwar sehr ressourcenreich, aber noch nicht weit genug erschlossen, als dass man zusätzliche Einheiten hier her abgestellt hätte. An anderen Stellen wurden diese dringender benötigt. Dennoch wollte man das System nicht ohne weiteres dem Dominion überlassen. Also war es - wie viele andere Systeme und Planeten, die man nicht kampflos aufgeben wollte - vermint worden. Nach so vielen Jahren waren die meisten Minenfelder von entsprechenden Räum-Schiffen entschärft worden. Trotzdem konnte es vorkommen, dass vereinzelte tarn- und replikationsfähige Minen, sogenannte 'Houdinis' übersehen worden waren. Eine dieser Minen war es gewesen, die den Einsatz der USS Koch hierher überhaupt erst notwendig gemacht hatte. Der private Transporter Lyra war vor wenigen Tagen durch das System geflogen und dabei auf eine der alten Minen gestoßen. Nur mit viel Glück hatte noch ein Notsignal ausgesendet werden können und genauso war es reines Glück gewesen, dass das medizinische Versorgungsschiff so nahe gewesen war und sofort darauf reagieren konnte. Weniger Glück hatte allerdings Astaire LeGrand gehabt. Nummer Fünf.

Seufzend wandte die Ärztin sich von dem fesselnden Anblick ab, der es für einige Momente geschafft hatte, sie von ihrem Versagen abzulenken, das sie seit der Operation vor zwei Tagen nicht mehr loslassen wollte.

In Gedanken schalt sie sich selbst. Ihr Freund hatte Recht. Sie hatte alles in ihrer Macht stehende getan, um das Mädchen zu retten. Aber gegen die zerstörerische Gewalt dieser verteufelten Minen gab es nicht viel auszurichten. Nur vier Patienten hatte sie bisher - vorher - verloren. Jeder Verlust hatte sie auf seine eigene Art berührt, aber keiner hatte sie so sehr mitgenommen wie dieser.

"Willst Du das wirklich?", fragte Commander al Jubair, der am Tisch saß. Er hatte ein PADD mit dem Versetzungsgesuch der Ärztin vor sich liegen.

"Ja, ich denke schon.", antwortete sie und kehrte an den Tisch zurück, um sich ihm gegenüber hinzusetzen. "Ich habe schon eine Weile darüber nachgedacht. Weißt Du, ich wollte schon immer anderen helfen. Sonst wäre ich kaum Ärztin geworden. - Ich will sie von Krankheiten heilen. Oder Heilungsmittel finden. Forschen. In den letzten Jahren hier sind wir von einem 'Unfall' zum nächsten gejagt. Ich kann das nicht mehr sehen." Sie schüttelte müde den Kopf.

"Du hast keine Garantie, irgendwohin zu kommen, wo Du nur forschen kannst, oder nur Krankheiten behandeln...", gab Umat zu bedenken.

"Ich weiß. Aber selbst auf einem 'normalen' Sternenflottenschiff gibt es weniger derartige Unfälle zu behandeln als hier. Das wird mir völlig reichen. Obwohl es mir natürlich am liebsten wäre, wenn ich in eine Forschungseinheit könnte... Wir werden sehen, wohin es mich verschlägt, nicht wahr?" Umat nickte stumm. "Ich muss das tun.", fügte Tapan hinzu. Es klang ein wenig wie eine Entschuldigung.

"Du muss mich nicht um Erlaubnis bitten.", lächelte der Commander plötzlich. "Ich verstehe Dich ja. Aber Du wirst uns fehlen. - Und auch wenn Du das nicht gerne hörst: Unfallmedizin ist auch Medizin." Er zwinkerte ihr spitzbübisch zu und schaffte damit - wie beabsichtigt - die Situation ein wenig aufzulockern. Nach einer Minute des Schweigens schob er nach: "Ich glaube Dir, dass Dir der Verlust dieses Mädchens nahe geht. Sie war noch jung. Es würde mich eher schockieren, wenn Dich das kalt ließe - aber Du musst zugegeben, dass es Dir im Grunde nur eine willkommene Ausrede ist."

"So würde ich das zwar nicht ausdrücken, aber es steckt schon ein Quäntchen Wahrheit darin. Zugegeben."


Sternzeit 69.929,9

Zischend öffnete sich die Tür der Krankenstation vor Lieutenant Floyd und Ensign Webber. Der Wissenschaftschef geleitete seine Mitarbeiterin hinein und hielt eine Probe in einer Hand. "Guten Morgen", wünschte er eilig dem anwesenden Personal. "Wir brauchen Doktor Piel."

An seiner statt jedoch trat Crewman Ngao aus dem Büro des Arztes. "Doktor Piel ist noch nicht hier. Worum geht es?"

Floyd musterte kurz den Pfleger. Als Formwandler benötigte er nicht dieselbe Art medizinischer Versorgung wie es bei seinen Kollegen der Fall war, aber er kannte Ngao und wusste, dass er seine Arbeit zuverlässig und sorgfältig erledigte. "Das Forschungsteam von Delkon II hat gestern Proben mit an Bord gebracht. Die Eindämmung der Probenbehälter scheint mir aber beschädigt. Wir müssen sicher gehen, dass dennoch nichts entweichen konnte."

"Oh", kommentierte Ngao etwas erschrocken und deutete gleich auf den hinteren Bereich der Krankenstation, der auch als Quarantäne-Station genutzt werden konnte.

"Wer hatte alles Kontakt zu den Proben?", fragte Ngao sofort und ging den beiden Wissenschaftlern voran - nicht ohne seiner Kollegin Gabriella einen eindringlichen Blick zugeworfen zu haben.

"Außer dem Forschungsteam an sich, hatten bisher nur Ensign Webber und ich selbst Kontakt zu den Proben. Das Labor ist bereits versiegelt und wird untersucht.", erklärte Floyd. Er stellte den Probenbehälter auf eine Ablage und nahm auf einer Liege Platz. Noa Webber, die noch kein einziges Wort gesprochen hatte, tat es ihm gegenüber gleich. Sie war noch blasser als sonst, wirkte fast wie ein Gespenst und zitterte leicht.

"Ich versiegele erstmal den Bereich. Doktor Piel wird jeden Moment hier sein.", meinte Ngao sanft. Während er tat, was er gesagt hatte, fragte er: "Weiß die Brücke schon Bescheid? Und könnte unterwegs etwas entwichen sein?"

"Ja und nein.", antwortete der Wissenschaftschef, in der Reihenfolge der Fragen. "Die Brücke ist bereits informiert. Aber der Probenbehälter hier ist dicht. Der defekte Behälter ist kleiner und darin eingeschlossen."

"Und was sind das genau für Proben?" Ngao hatte ein PADD heraus gekramt und machte eifrig Notizen, die Doktor Piel später brauchen würde.

Floyd zog eine Augenbraue hoch. "Hat Doktor Piel Sie nicht über die Mission und die Proben informiert?", fragte er seinerseits. In Ermangelung einer Antwort des Pflegers erklärte er schließlich: "Es handelt sich um eine neu entdeckte Abart von Delkonium. Dieser Stoff kommt nur in den härtesten Gesteinsschichten der delkonischen Planeten in flüssiger Form vor. Es wird als 'hochgiftig' deklariert. Allerdings setzt man große Hoffnung in die Entwicklung eines effektiven Treibstoffs daraus. Die Verbrennung setzt erstaunliche Energiemengen frei." Er wartete bis Ngao alles notiert hatte. "Die Wirkung auf den menschlichen Organismus ist bislang unbekannt."

Kilan Ngao sah von Floyd zu Noa und zurück. Die Nervosität der jungen Ensign war ihm nicht entgangen. Besorgt warf er einen Blick über die Schulter und hoffte auf ein Zeichen von Gabriella, dass sie Piel bereits benachrichtigt hatte. Doch die Schwester war noch nicht aus dem Büro des Arztes zurückgekehrt.

"Es dauert leider noch einen Moment. Ich werde mal sehen, wo der Doktor bleibt.", versicherte der Pfleger daher und verschwand ebenfalls in dem kleinen benachbarten Raum.

"Was ist los?", fragte er gleich seine Kollegin. Sie hatte gerade frustriert die Hand vom Kommunikator sinken lassen.

"Er muss den Ruf empfangen haben, aber reagiert nicht. Ich habe ihn bestimmt schon zehn Mal gerufen.", erklärte Gabriella Manson.

"Meinst Du es ist ihm was passiert? Vielleicht geht’s ihm selbst nicht gut...", mutmaßte der Pfleger.

"Ehrlich gesagt..." Gabriella brach kurz ab. "Seit drei Wochen ist er nicht einen Tag pünktlich zum Dienst erschienen. Ich weiß nicht, was er treibt, aber ich habe keinen Bock mehr, ihm noch den Rücken frei zu halten." Sie sah ihr Gegenüber durchdringend an. Schon an den vergangenen Tagen hatte sie vorgeschlagen, wenn der Arzt nicht einmal mehr auf Rufe reagiere, müsse man nachsehen, wo er bliebe und gegebenenfalls jemanden von der Sicherheit informieren. Ganz abwegig war der Gedanke, dass etwas passiert sein könnte schließlich nicht, wenn jemand mehr als eine Stunde nach Dienstbeginn noch nicht auf seinem Posten erschienen war. Entgegen dem was sie gewöhnlich den Patienten versicherten, stimmte es nämlich nicht, dass der Arzt seine Verspätungen selbst meldete.

"Jemand da?", klopfte unvermittelt Counselor Ranoo an die Bürotür und spazierte durch eben diese herein. "Guten Morgen.", wünschte er. "Ist Doktor Piel nicht da? Hausbesuche?" Lemexx grinste sein üblich verschmitztes Grinsen und sah erwartungsvoll die ratlosen Kollegen an. "Stimmt etwas nicht?", schob er nach.

Gabriella warf Kilan einen weiteren Blick zu. Dann antwortete sie: "Doktor Piel ist heute Morgen noch nicht aufgetaucht. Und auf Rufe reagiert er auch nicht..."

Das Grinsen war schlagartig aus Lemexx' Gesicht gewichen. Nach dem Gespräch mit McNamara hatte er sich, wie er es sich vorgenommen hatte, auch mit Piel unterhalten. Der Arzt war ihm gegenüber offen gewesen und hatte zugegeben, gelegentlich mit aufkeimenden Angstattacken zu kämpfen und erwähnt, dass er deswegen längst mit ihm hatte sprechen wollen. Nichtsdestotrotz hatte Lemexx den Eindruck gehabt, der Doktor habe sich unter Kontrolle. Wenn er nun nicht zum Dienst erschienen war - noch dazu unentschuldigt - musste sich sein Zustand weiter verschlechtert haben.

"Dann sollten wir mal nach ihm sehen, nicht wahr.", meinte er. Das PADD in seiner Hand legte er ungeachtet auf dem Schreibtisch nieder und machte kehrt. "Ich kümmere mich darum."


Enge. Leere. Und doch war da so viel Platz. Leerer Raum, der nichts zuließ als ihn selbst. Zeit seines Lebens war Lukas Piel nie wirklich alleine gewesen. Hatte sich nie alleine fühlen müssen. Doch die Zeit seiner Gefangenschaft hatte vieles verändert. Ständig waren Leute um ihn herum gewesen und je länger die Gefangenschaft angedauert hatte, desto besser hatte er sie kennen gelernt. Manche nur oberflächlich, manche etwas besser. Einige hatte er nicht besser kennen lernen können, weil sie gleich wieder aus der Mitte der Gefangenen gerissen worden waren. Andere hatten sich zurück gezogen. Seltsamerweise hatte er seit seiner Rückkehr zur Sternenflotte niemanden mehr näher kennen gelernt. Und obwohl täglich so viele Leute um ihn herum waren, schien ihn eine dicke Mauer von diesen Personen zu trennen. Sie waren alle so unendlich weit weg und er fühlte sich allein. In der ersten Zeit hatte er sich damit beruhigen können, jederzeit etwas essen zu können. Wenn er es auch nicht getan hatte. Der Anblick eines Replikators hatte genügt. Dann war es das Gefühl von Wasser gewesen, dass er durch seine Hände rinnen ließ. Sich damit das Gesicht zu bespritzen und zu wissen, dass es genügend Wasser gab, versicherte ihm, dass er frei war.

Als Lemexx nach dem dritten Klingeln mit Hilfe Tarlans das Quartier des Schiffsarztes betrat, begriff er erst ansatzweise das Ausmaß der Sorgen die Lukas Piel zwar oft genug angesprochen aber immer wieder geschickt herunterzuspielen gewusst hatte. Der Wohnraum war mit Wasser gefüllten Eimern nur so übersät und der Doktor selbst saß in seiner kompletten Uniform wie erstarrt in der Badewanne.


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